Brutale Polizeigewalt gegen Protestierende, Presse und Abgeordnete, Verletzte und Festgenommene, Fake News der Polizei, eine reaktionäre Bezirks-Bürgermeisterin, ein abgetauchter Rot-Rot-Grüner Senat und ein staatlich zerstörter Kieztreffpunkt. Aber auch hunderte solidarische Menschen, ein neunstündiger Widerstand gegen die Zwangsräumung des Kiezladens, keine*r bleibt mit der Repression alleine, nichts ist vorbei: Demo am Tag der Räumung und am Samstag, den 1.7.
Von der festlichen Videokundgebung zur brutalen Zwangsräumung
Am Vorabend der Räumung, Mittwoch, den 28.6.2017, versammelten sich 400 Menschen vor der Friedelstraße 54 zur Videokundgebung. Gezeigt wurde der Film „Mietrebellen“, gefolgt von Diskussionen und Solidaritätserklärungen für den Kiezladen. Die festliche Kundgebung wurde von der Polizei zweimal verlängert bis 4.00 Uhr. Danach war Schluss und die Polizeiabsperrung wurde verstärkt, ab 5.00 wurde die Friedelstraße zwischen Lenau- und Weserstraße von der Polizei gesperrt, niemand kam mehr rein. 150 Leute blieben vor der Friedel, sie blockierten später den Eingang. Vor den beiden Absperrungen, vor allem auf der Weserstraße sammelten sich langsam Leute, im Laufe des Tages kamen und gingen ca. 1000 bis 1500 Menschen.
Die Polizei rückte im Laufe des Vormittages mit immer mehr Einheiten an, darunter Spezialkräfte aus Niedersachsen, Hunde, technische Einheiten, Zivilpolizei. Alles in allem mindestens 500 und 50 Fahrzeugen. Der Kiez um die Friedel war im Belagerungszustand.
Laut Einsatzleitung wäre es Gerichtsvollzieher Bossin möglich gewesen die Räumung wegen Unverhältnismäßigkeit abzubrechen. Niemand glaubt im Ernst, dass ein Gerichtsvollzieher sich traut einen solch umfangreichen Einsatz abzubrechen und schon gar nicht ein Gerichtsvollzieher, der bei Spiegel Online so zitiert wird: „“Hier sind die Leute teilweise jenseits von Gut und Böse“, sagt Bossin. „Die sitzen den ganzen Tag vorm Fernseher, gucken Gameshows und leben von Hartz IV.“ (http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/berlin-neukoelln-der-hinterhof-der-hauptstadt-a-570220.html)
Gegen 8.30 Uhr wird die Sitzblockade vor der Friedel 54 von der Polizei brutal geräumt und auch Pressevertreter werden nicht verschont. Vor der Polzeiabsperrung an der Weserstraße kommt es immer wieder zu Prügeleinsätzen der Polizei, eine Sitzblockade an der Lenaustraße wird ebenfalls brutal geräumt. Es gibt viele Verletzte durch die Polizei.
Um 9.30 Uhr ist die Sitzblockade vor der Friedel geräumt, der Polizei gelingt es aber nicht in das Haus zu kommen. Sie sind aber auf dem Dach. Auch eine Sitzblockade im Hinterhof wird von der Polizei mit Hunden angegriffen und gegen 10.30 Uhr geräumt – brutal, wie sonst.
Da es der Polizei immer noch nicht gelungen ist in den Laden einzudringen, klingelt sie jetzt – erfolglos. Sie versuchen es jetzt über Nachbarhäuser, mit Rammbock, Kettensäge und Flex. Obwohl es Bilder im Internet gibt, die zeigen, dass Leute an die Türen gekettet sind. Aber Verletzte sind der Polizei schon den ganzen Tag egal. Nach einigen erfolglosen Versuchen an der Hinter- und Seitentür gelingt es ihnen um 11.00 Uhr in einen Teil des Kiezladens einzudringen. Nach weiteren 2 Stunden und mehreren geschrotteten Kettensägen gelingt es der Polizei dann endlich um 13.13 den Kiezladen zu räumen.
Polizeigewalt gegen Protestierende, Presse und Abgeordnete
Die Zwangsräumung des Kiezladens war den ganzen Tag geprägt durch aggressives und gewalttätiges Vorgehen der Polizei. Schon die Ankündigung in der Presse am Tag vor der Räumung, es würden die aus Hamburg zurückgeschickten Polizeieinheiten eingesetzt, ließ nichts gutes vermuten.
An den Absperrungen kam es den ganzen Tag über zu Schubsereien und Schlägereien, und auch zu Peffersprayeinsätzen gegenüber absolut friedlichen Demonstrant*innen. Eine Sitzblockade vor der Weserstraße 211 wurde mehrmals brutal angegriffen, ebenso eine Sitzblockade an der Lenaustraße, wo es mehrere Verletzte gab.
Die Sitzblockade direkt vor der Friedelstraße 54 mit ungefähr 150 Personen wurde ab 8.30 geräumt. „Entweder sie gehen freiwillig oder wir fügen ihnen Schmerz zu“, so ein Polizeibeamter. Und ein weiterer: „Journalisten werden wie Aktivisten behandelt, gehen Sie, sonst wird’s brutal“. Und das wurde es auch. Mehrmals wurden Journalisten von Polizisten attackiert und ebenso wie Politiker an ihrer Arbeit gehindert. Unter https://twitter.com/mzphoto_org gibt es Bilder und Videos der Polizeiübergriffe, z.B. Journalisten, die angegangen werden und eine Frau, die bewusstlos geschlagen wird.
Zu den 60 bis 80 Menschen der Sitzblockade im Hinterhof hatte die Polizei Pressevertretern erst gar keinen Zugang gewährt. Auch der Anwalt Lukas Theune bekam erst später Zugang und musste erkämpfen, dass Sanitäter zu den Verletzten konnten, unter anderem Menschen denen ins Gesicht getreten wurde. Es gab 2 bewusstlose Menschen, auf einem liess die Polizei einen Kampfhund rumtrampeln. (https://www.youtube.com/watch?v=1iBvyiBvkz8)
Das Bündnis Zwangsräumung verhindern und die Menschen, die an unseren Aktionen teilnehmen, erfahren immer wieder Polizeigewalt. So wurde eine Blockade in der Reichenbergerstraße brutal geräumt und Menschen in der Gefangenstelle gedemütigt. Der Hauseigentümer damals war der CDUler Ernst Brenning, der Innensenator der CDUler Frank Henkel. Übergriffe einzelner Polizeibeamter sind bei vielen Aktionen alltäglich aber eine so durchgängige und andauernde Brutalität, auch gegenüber Pressevertretern, ist auch für uns ein Novum.
Fake News, bürgerliche Presse und reaktionäre Politik
Seit einiger Zeit geistert der Begriff „Fake News“ durch die bürgerlichen Medien. Als Verursacher werden öfter Donald Trump und Wladimir Putin genannt. Wir können jetzt noch den Namen Thomas Neuendorf, Stellvertretender Leiter der Pressestelle der Berliner Polizei, hinzufügen. Dieser war nämlich vor Ort als die Polizei über Twitter erklärte, in der Friedel wäre ein Handknauf unter Strom gesetzt und die Polizisten der Lebensgefahr ausgesetzt. Als Beweis zeigten sie das Foto einer Tür, das wars. Das auch eine öffentliche Institution in dieser tollen Demokratie Fake News verbreitet mag einige überraschen.
Überraschender ist, dass die Medien nicht, wie so oft, völlig unkritisch die Polizeimeldungen übernahmen. So war die Fake News „Handknauf unter Strom“ nicht, wie bei früheren ähnlich abstrusen Meldungen, der Aufmacher der alles übertönte. Im Gegenteil wurden in der Presse viele Inhalte vermittelt, wie ständig steigenden Mieten und Verdrängung aber auch der Widerstand dagegen. Auch die Rolle der Bezirkspolitik wurde offengelegt, die sich weigerte die Friedelstraße 54 zu kaufen, obwohl eine Stiftung bereits die Gelder bereit hielt.
Dies ist aber unter einer Bezirksbürgermeisterin Giffey nichts überraschendes. Ist sie doch genauso reaktionär wie ihr unsäglicher Vorgänger, der Rassist Buschkowsky. Beide sind in der SPD und der ist alles Linke ebenso verhasst wie die Armen im Bezirk. Es wäre ihnen am liebsten, die würden verschwinden und sie hätten endlich einen schönen sauberen Bezirk. Deswegen sind ihnen auch steigende Mieten und Verdrängung nicht nur egal, sie verbinden mit ihnen sogar die Hoffnung endlich die Bevölkerung im Bezirk auszutauschen. Giffey hat der Friedel 54 nicht die Hilfe verweigert weil, wie sie behauptet, von der Friedel „Gewalt“ ausginge, was sie natürlich nicht belegt hat. Die Gewalt geht von den Herrschenden aus. Täglich mit steigenden Mieten und Verdrängung und am Donnerstag bei der Räumung des Kiezladens mit der Polizeifaust. Weil die Friedel gegen beides steht, wurde sie geräumt.
Keine*r bleibt mit der Repression alleine
Wie immer gilt, niemand muss die Repression alleine tragen. Solidarisch auf der Straße und solidarisch danach. Egal ob ihr juristisch belangt werdet, physische oder psychische Verletzungen erfahren habt. Meldet euch bei zwangsraeumungverhindern@riseup.net oder kiezladenf54bleibt@riseup.net, wir unterstützen euch.
Verantwortlich ist Rot-Rot-Grün und nichts ist vorbei
Formal verantwortlich für den brutalen Einsatz ist die Einsatzleitung, die Polizeiführung und der Innensenator Andreas Geisel (SPD). Aber die Räumung des Kiezladens zeigt deutlich, dass eben auch eine Rot-Rot-Grüne Regierung den Kapitalinteressen verpflichtet ist. Auch wenn es einige Vorzeigeprojekte gibt, wird sich an der grundsätzlichen Verwertung der Stadt nichts ändern. Auch unter Rot-Rot-Grün werden die Mieten weiter steigen, Verdrängung und Zwangsräumung weitergehen. Und auch brutale Polizeieinsätze wie am Donnerstag sind Teil dieser Regierungspraxis.
Für uns gilt, egal welche Regierung, welche Farbenspiele, die Stadt für alle wird auf der Straße erkämpft. Deswegen ist der verlorene Kiezladen zwar bitter, aber wie schon vor knapp 100 Jahren gilt immer noch Bertolt Brechts „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Nichts ist vorbei: Demonstration gegen die Zwangsräumung der Friedel. Für eine solidarische Stadt von unten! Schafft 2, 3, viele Kiezläden!
Samstag 1.7.2017, 20:30 Uhr Hermannplatz
Route: Kottbusser Damm, Pflügerstraße, Hobrechtstraße, Lenaustraße, Friedelstraße, Zwischenkundgebung Ecke Weserstraße, Weserstraße, Pannierstraße, Sonnenallee, Erkstraße, Rathaus Neukölln.
http://nk44.blogsport.de/2017/06/30/friedel54-bleibt-demo-1-juli-2017/