Die Grunewald-Demo oder „Oh, wär ich doch ein reicher Mann, der ohne Mühe stehlen kann“

Update: Die Änderungsschneiderei Kabacaoglu hat am 25.7. einen neuen Mietvertrag unterschrieben. Die Miete ist zwar höher aber für die Änderungsschneiderei tragbar. So ist ihr Erhalt erst einmal gesichert. Der Oranienspäti der Familie Tunc im gleichen Haus ist aber weiter akut gefährdet.

Am Donnerstag, den 13. Juli, kamen ca. 80 Leute zur Grunewald-Demo um Solidarität mit dem Späti und der Änderungsschneiderei zu zeigen, darunter viele aus deren Nachbarschaft. Die beide Läden sollen aus ihren Gewerberäumen in der Oranienstraße 35 verdrängt werden. Eigentümer ist die Bauwerk Immobilien GmbH mit Sitz in eben jenem Grunewald, genauer in der Kronbergerstr. 12.

An der vorletzten Station des M29, der den langen Weg von Kreuzberg zum Grunewald zurücklegt, gab es eine Auftaktkundgebung. In den Redebeiträgen wurden die wenigen Passanten aufgeklärt, um was es bei der Demo eigentlich geht, und in einem kleinen Abriss zu den Grunewald-Demos der letzten Jahrzehnte, warum diese immer wieder nötig sind.  Die Profiteure der Ausbeutung, nicht nur durch Mieteinnahmen, leben nämlich dort.

Danach ging es dann in einer kurzen Demo in die noch ruhigere Kronbergerstraße, die mit lauten Parolen etwas aufgeweckt wurde. Am, von der Polizei gut bewachten, Firmensitz der Bauwerk lies sich niemand blicken. So gab es noch einiges zum Bauwerk-Immobiliengefelcht zu vernehmen und zum Abschluss erfreute uns L. mit seinem Akkordeon noch mit einem Lied von Erich Mühsam, dass auf den Punkt brachte warum wir da waren.

Lumpenlied
Erich Mühsam

Kein Schlips am Hals, kein Geld im Sack.
Wir sind ein schäbiges Lumpenpack,
auf das der Bürger speit.
Der Bürger blank von Stiebellack,
mit Ordenszacken auf dem Frack,
der Bürger mit dem Chapeau claque,
fromm und voll Redlichkeit.

Der Bürger speit und hat auch recht.
Er hat Geschmeide gold und echt. –
Wir haben Schnaps im Bauch.
Wer Schnaps im Bauch hat, ist bezecht,
und wer bezecht ist, der erfrecht
zu Dingen sich, die jener schlecht
und niedrig findet auch.

Der Bürger kann gesittet sein,
er lernte Bibel und Latein. –
Wir lernen nur den Neid.
Wer Porter trinkt und Schampus-Wein,
lustwandelt fein im Sonnenschein,
der bürstet sich, wenn unserein
ihn anrührt mit dem Kleid.

Wo hat der Bürger alles her:
den Geldsack und das Schießgewehr?
Er stiehlt es grad wie wir.
Bloß macht man uns das Stehlen schwer.
Doch er kriegt mehr als sein Begehr.
Er schröpft dazu die Taschen leer
von allem Arbeitstier.

Oh, wär ich doch ein reicher Mann,
der ohne Mühe stehlen kann,
gepriesen und geehrt.
Träf ich euch auf der Straße dann,
ihr Strohkumpane, Fritz, Johann,
ihr Lumpenvolk, ich spie euch an. –
Das seid ihr Hunde wert!