Kategorie-Archiv: Kernhofer

Kein Podium ohne die Betroffenen!

Die in Lichtenberg rechtswidrig zwangsgeräumte Familie braucht eine Wohnung!

Wir fühlten uns heute morgen, den 2.6.2018, dazu gezwungen den wohnungspolitischen Ratschlag der Berliner Linkspartei in der REFO Moabit zu stören, um an die unangekündigte Zwangsräumung im Lichtenberger Kaskelkiez zu erinnern und eine neue Wohnung in der Nachbarschaft zu fordern. Voller Aufregung und mit Wut im Bauch haben die Familie, Nachbar*innen und Unterstützer*innen sich mit Transpi und Megafon vor das Auftaktpodium gestellt, auf dem Bereits die Räumung in Lichtenberg angesprochen war.

Da die Mutter der vierköpfigen Familie dazu viel mehr zu sagen hat, ergriff sie ein Mikrofon und schilderte ihre Situation und eine Nachbarin sprach sehr bewegende Worte über den Verlust für sie und die Nachbarschaft. Daraufhin wurde eine neue Wohnung für sie in der Nachbarschaft gefordert und Katrin Lompscher eine Telefon-Nummer gegeben, nachdem diese zugesagt hatte, sich für die Familie einzusetzen und eine Wohnung in der Nachbarschaft zu organisieren. Das werden wir auf jeden Fall weiter verfolgen!

Wir vermuten wohlwollend, dass das Publikum sich solidarisch mit der Familie zeigte und nicht nur gelangweilt von der Podiumsdiskussion war, jedenfalls bekam unserer Störung viel Applaus und die Flyer wurden mit Interesse entgegengenommen.
Anschließend wurde darauf hingewiesen, dass unangekündigte Zwangsräumungen bisher noch nie Praxis in Berlin waren und damit faktisch eine Verschärfung der Räumungspraxis unter R2G eingetreten ist. Diese sollte sofort wieder korrigiert werden und da wir überhaupt keine Zwangsräumungen mehr in dieser Stadt wollen, wurde natürlich gleich ein Ende aller Räumungen gefordert!

Proteste gegen diese Stadtpolitik dürfen nicht kriminalisiert werden. Menschen die für eine solidarische Stadt für Alle kämpfen dürfen nicht mit repressiven Maßnahmen überzogen werden. Daher wurde noch Straffreiheit für die Besetzer*innen der Bornsdorferstraße in Neukölln gefordert.

Natürlich wurden wir anschließend eingeladen zu bleiben und einen zufällig leeren Stuhl auf dem Podium zu #besetzen. Da unser kommen bereits im Vorfeld zur Partei Die Linke durchgesickert ist, war dies auch nicht weiter verwunderlich. Die einladenden Worte wirkten jedoch eher einlullend und können der Familie nicht helfen. Diese braucht eine Wohnung und derzeit keinen Platz auf dem Podium und so konnnte die Kirche gerade noch rechtzeitig verlassen werden. Puh, geschafft!

Jetzt wollen wir sehen, ob sie ihren (vielen) Worten auch Taten folgen lassen! Gerecht ist diese Zwangsräumung niemals, ob sie „rechtens“ war, wird ein Gericht entscheiden. Die Familie ist jetzt wohnungslos und hat keine Zeit und Ressourcen ihr Recht vor einem Gericht zu erstreiten. Und eine bittere Erkenntnis aus langjähriger Erfahrung mit Zwangsräumungen ist,
dass das Recht in den seltensten Fällen auf Seiten der Mieter*innen ist. Die Familie brauch dringend eine neue Wohnung, in ihrem vertrautem Wohnumfeld!

Bericht zur verhinderten 1. Räumung und zum Hintergrund

Legal, illegal – Familie doch zwangsgeräumt

Am Dienstag, den 22.5.2018, konnten solidarische Nachbar_innen und Aktivist_innen mit einer Blockade die Zwangsräumung einer Familie in der Kernhofer Strasse verhindern. Nach der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet die Zwangsräumung 3 Wochen vorher anzukündigen. Dies gibt den Betroffenen Zeit mit den Eigentümern in Kontakt zu treten und die Zwangsräumung, mit der erfolgreichen Blockade und Öffentlichkeitsarbeit als Druckmittel, vielleicht doch noch abzuwenden.

Dem Obergerichtsvollzieher Herz ist die GVGA aber egal. Schon bei der verhinderten Zwangsräumung am 22.5. hat er sich erst 5 Tage vorher angekündigt. Am Montag, dem 28.5., kam er ganz ohne Ankündigung. Dafür aber mit 20 Polizisten, der Angela Herden Hausverwaltung und einem Schlosser. Um 8 Uhr morgens hämmerten sie an der Wohnungstür, gaben der Familie 15 Minuten Zeit ihre Sachen zu packen und schmissen sie aus der Wohnung. Die Hausverwaltung entblödete sich nicht, die unkomplizierte Herausgabe der Schulsachen des Sohnes, die noch in der Wohnung sind, zu verweigern und will diese erst nach einem komplizierten hin und her übergeben.

Der Kampf gegen hohe Mieten, Verdrängung und Zwangsräumung ist größer geworden und breiter aufgestellt. Davon zeugen die Mietenwahnsinn-Demo im April und die Hausbesetzungen im Mai. Er scheint aber von der Gegenseite verbissener und härter geführt zu werden. Die gewalttätigen Übergriffe der Polizei bei den Räumungen am Pfingstsonntag, ein Geschäftsführer einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft der im Beisein einer Bundestagsabgeordneten, einer Abgeordneten des Berliner Senats und eines Staatssekretärs macht was er will – nämlich räumen lassen, ein Gerichtsvollzieher, dem die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher scheißegal ist sprechen eine deutliche Sprache.

Und das alles unter einem rot-rot-grünen Senat, dessen eine Partei vollmundig mit „Und die Stadt gehört euch“ geworben hatte und nun nichts besseres zu tun hat als jedem Konflikt aus dem Weg zu gehen und möglichst geräuschlos die bürokratische Verwaltung des kapitalistischen Wohnungselends zu übernehmen.

Eine andere, eine sozialere Stadt ist aber nur in Konfrontation mit den Herrschenden und deren Eigentumsverhältnissen durchsetzbar. Eine Stadt für Alle wird nicht im oder vom Senat erbettelt, sondern auf der Straße erkämpft!

Dienstag, 22.5. // Zwangsräumung einer Familie vorerst verhindert

Heute, Dienstag, den 22.5.2018, konnten solidarische Nachbar_innen und Aktivist_innen des „Bündnis Zwangsräumung verhindern“ eine Zwangsräumung in der Kernhofer Strasse im Kaskelkiez vorerst verhindern.

Der Gerichtsvollzieher hatte sich für 12.30 Uhr angekündigt, allerdings rechtswidrig erst 5 Tage vor der Räumung. Zu dieser Zeit wurde der Hauseingang bereits von ca. 60 Nachbar_innen und Aktivist_innen blockiert. Der Gerichtsvollzieher und die Hausverwaltung kamen jeweils in ihren Autos. Beide haben angesichts der Leute dann hektisch telefoniert aber verweigerten jegliche Kommunikation. Kurz danach verliessen sie fluchtartig die Straße. Erst blieben sie verwirrt eine Seitenstraße weiter stehen um sich dann endgültig aus dem Staub zumachen. Nach einer Weile kam noch eine Zivi-Streife und verschwand wieder. Danach tauchten noch 2 Dorfbullen auf, die die Absage der Räumung bestätigten und auch nur darauf aus waren bei dem Sonnenscheinwetter weiter eine ruhige Kugel zu schieben.

Das so viele Leute aus der Nachbarschaft da waren und es dort eine solidarische Struktur gibt wärmt uns das Herz. Und nach den brutalen Räumungen der besetzen Häuser am Pfingstsonntag hat ein verhinderte Räumung allen gut getan. Denn auch unter Rot-Rot-Grün gibt es keine andere Wohnungspolitik. Auch die sind den Regeln der kapitalistischen Verwertung der Stadt unterworfen.

Die verhinderte Zwangsräumung heute und die Besetzungen am Sonntag haben aber gezeigt, dass nach der Mietenwahnsinn-Demo mit 25.000 Menschen am 14. April und der Demonstration im Grunewald am 1. Mai die Proteste gegen Gentrifizierung mit großer Intensität weitergehen. Immer mehr Menschen erkennen, dass das Wohnen eben keine Ware sein sollte sondern ein Grundrecht ist. Dieses Recht wird aber nicht vom Senat erbettelt sondern auf der Straße erkämpft!

Die Zwangsräumung ist nur vorerst verhindert, sie ist noch nicht vom Tisch. Wir werden die Familie weiter mit Aktionen unterstützen um die Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Zum Hintergrund

Die Familie wohnt seit 2001 mit 2 Söhnen in der Wohnung in der Kernhofer Strasse 11 im Kaskelkiez. Dort sind sie gut angekommen und haben viele Freund*innen und Nachbar*innen gefunden. Diese setzen sich auch gegen ihre Zwangsräumung ein.

Die Miete wird direkt vom JobCenter gezahlt. Die Mutter ist krank und hat 2017 wegen stationärer Behandlung eine zu erneuernde Kostenübernahme durch das JobCenter verpasst. Es kam, zusätzlich auch wegen Fehler des JobCenters, zu Mietrückständen, die zur Kündigung und letztlich zu einem gerichtlichen Räumungstitel führten.

Die Mietrückstände sind mittlerweile komplett bezahlt. Wegen der Krankheit wurde ein Räumungsaufschub bis 15.2.2018 gewährt, der bis 31.7.2018 verlängert wurde. Weil die Berechnungen des JobCenters so kompliziert sind, hat es im April 30 Euro zu wenig gezahlt. Dadurch konnte der Eigentümer trotz Räumungsschutz die Räumung bereits für den 22.5. veranlassen, obwohl sich ärztliche Gutachten, u.a. des Sozialpsychatrischen Dienstes, gegen eine Zwangsräumung und eine Verdrängung der Mutter aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld aussprechen.