Monatsarchiv: August 2016

HG/M99: Neuer Räumungstermin 22.9.

HG bekam Post von der Gerichtsvollzieherin. Sie kündigte darin den neuen Zwangsräumungstermin für Donnerstag, den 22.9., um 9 Uhr an.

Aktueller Stand:

Wegen HGs Gesundheitszustandes wird sein Anwalt einen Räumungsaufschub beantragen.

Am 13.9. entscheidet sich, ob HG die Zusage für einen anderen Laden in Kreuzberg bekommt. Wann genau er dort einziehen könnte ist noch nicht klar. Normalerweise gewährt das Gericht aber bei einem vorliegenden Mietvertrag einen Räumungsaufschub bis zum Einzugstermin. Der Eigentümer des M99 kann ebenfalls jederzeit die Räumung aussetzen, dies hat er ja bereits am 7.8. bis zum 20.9. getan.

Sollte das mit dem Ersatzladen oder dem Räumungsaufschub nicht klappen, mobilisieren wir zur angekündigten Räumung am Donnerstag, den 22.9., um 9 Uhr.

So., 14.8. // Dragonerareal // Garten wieder anlegen

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BImA versus Stadtteilwohnzimmer:

„Zusammen mit Nachbar_innen haben wir einen eigenen Garten angelegt, den „DraGarten“, in dem schon erste Dramaten zu ernten waren. Gemeinsam mit Nachbar_innen bauten wir Möbel aus Paletten, um so ein Stadtteilwohnzimmer entstehen zu lassen. Beides wurde nun von der BImA geräumt – Möbel und Garten sind weg. Wir haben einen öffentlichen Raum so gestaltet, dass er nutzbar wird – wir haben begonnen einen neuen Stadtteil zu säen. Was passt der BImA daran nicht? Warum bekommen wir den seit lange geforderten Kiezraum auf dem Gelände nicht, in dem über die Zukunft des Dragonerareals beraten werden soll?“

Das Dragonerareal lädt zum gemeinsamen Wiederaufbau ein! Am Sonntag, 14.August, um 14 Uhr schrauben wir wieder Hochbeete und Paletten-Sofas zusammen und eignen uns an was uns sowieso gehört: 4,7 Hektar öffentliches Grundstück! Treffpunkt: 14 Uhr vor der LPG oder später hinter dem Finanzamt, am südöstlichen Ende des Geländes.

Mehr Info: stadtvonunten.de

Karl-Marx-Strasse: Räumungsurteil gegen NaKo-Mieter

Das Gericht folgte in seinem Urteil den Interessen der Eigentümer und fand es berechtigt aus einer Zahlungsdifferenz Mietschulden als Grundlage der Kündigung zu bestätigen. Fakt ist, dass die Hausverwaltung über drei Jahre diese Differenz von knapp 20 Euro nicht an mahnte, dann aber als mehr als zwei Monatsmieten aufgelaufen waren, die Kündigung aussprach.

Demgegenüber war der Wasserschaden, der eine Mietminderung erlaubt hätte – aus Sicht des Gerichtes – formal nicht wirklich als Mietminderung angesagt worden. Darum sah das Gericht es als unbegründet an, die Mietminderung aufgrund des Wasserschadens in die Waagschale zu legen, obwohl die Mietschuld auch umgehend bezahlt worden war.

Hier nicht unbedingt demokratisch gleichgestellten Parteien zu vermuten, legt auch eine Zitat aus dem Urteil nahe:
„Ferner habe er (der Mieter) mitveranlasst, dass in der Öffentlichkeit Flugblätter verbreitet wurden, durch deren Text die klägerische Hausverwaltung in Misskredit gebracht werden sollte, Schließlich habe er bei Veröffentlichungen im Internet mitgewirkt, mit denen mit der Bemerkung:“Keine Miete! Wohnraum für alle!“ öffentlich zum Erscheinen zu dem in diesem Verfahren ersten Verhandlungstermin aufgerufen wurde,“ – besser ist es wohl nicht nur zur Prozessbeobachtung aufzurufen, wie das Urteil nahe legt!

„Obra Social“ – Workshop zur Wiederaneignung der Stadt

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Das Bündnis hat am Donnerstag, den 11.8., an einem Workshop zu „Obra Social – Manual“ teilgenommen. In der Kampagne „Obra Social“ (soziale Baustelle) eignen sich von Zwangsräumung Betroffene leer geräumte Häuser wieder an. Wie genau das geht, hat die PAH (Plataforma de Afectados por la Hipoteca, Plattform für die von Hypotheken Betroffenen) , die große spanische Bewegung gegen Zwangsräumungen, in einem Handbuch zusammengefasst.

Im Prinzessinnengarten war die englische Übersetzung des Handbuchs Ausgangspunkt für eine gemeinsame Diskussion verschiedener Initiativen über kollektives Lernen und Aneignung. Mit dabei waren Stadt von unten, SocialCenter4all, Bizim Kiez, Aktive aus England und Mazedonien und andere.

Die Veranstaltung fand im Rahmen der Nachbarschaftsakademie statt und wurde initiiert von Michelle Teran, die mittlerweile den zweiten Film über die PAH veröffentlicht hat und regelmäßig Veröffentlichungen der PAH ins Englische übersetzt.

Wedding WG: Schlappe vor Gericht für Eigentümer

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Am Dienstag, den 9.8. war der die Berufungsverhandlung am Landgericht zur WG in der Dubliner Straße im Wedding. Davor gab es eine Kundgebung mit einem guten Dutzend Unterstützer*innen. Die Berufung am Landgericht hatte für die Zwangsräumung, sie war aber bereits für den 17. August angekündigt, aufschiebende Wirkung.

Zu Beginn fragte die Richterin beide Parteien, ob sie sich noch einigen wollten über die Fortsetzung des Mietvertrages bei Aushandlung einer Zahlung durch die Mieter*innen. Im Kern ging es um die Mietminderung wegen eines Wasserschadens; die Hausverwaltung hatte die Mietminderung zum Anlass genommen, wegen Mietschulden zu kündigen, das Amtsgericht sah zwar den Wasserschaden als gegeben an, urteilte aber bezogen auf die Höhe der Mietminderung, dass die Mieter*innen entsprechend des Abtrocknungsgrades diese Mietminderung hätten kürzen müssen und folgten darum der Auffassung des Eigentümers, dass Mietschulden entstanden sind und damit die Kündigung ok sei.

Eigentümeranwalt Hellwig wollte einer Einigung nicht zustimmen, später sagte er er müsse erst mit seinen Mandanten reden. Dann trug die Richterin ihre Auffassung vor. Sie konnte der Auffassung des Amtsgerichtes nicht folgen, Zeugen nicht zu vernehmen. „Die Beweisführung vorab durch das Amtsgericht mit den Worten „daraus ergibt sich sowieso nichts“ ab zuschmettern war eine unzulässige Eigenermächtigung ohne den Sachverhalt näher anzuschauen“ so die Richterin. Damit war Rückverweisung an das Amtsgericht und Beweisaufnahme gesetzt.

Dann ging es noch um eine zweite Kündigung. Auch diese hatte formale Fehler – Abmahnung hätte vor Kündigung erfolgen müssen. Am Ende gab sie nochmal die Chance einer Einigung, indem sie die Urteilsverkündung großzügig terminierte. Eigentümeranwalt Hellwig wollte das mit seiner Mandantschaft rücksprechen.

Nach dem Ende der Verhandlung brach Jubel und Beifall im Saal aus, die Zwangsräumung am 17.8. war erst mal vom Tisch.

Pressemitteilung: HG/M99 bleibt – Zwangsräumung verhindern!

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HG/M99 ist noch immer akut von Zwangsräumung bedroht. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Anwälten hat HG den ersten Stock am 9.8. dem Eigentümer übergeben. Bei diesem unter extremem Druck entstandenen Vergleich kann von Freiwilligkeit keine Rede sein, da die Eigentumsverhältnisse in diesem Staat an dieser Stelle keine Begegnung auf Augenhöhe zulassen.

Wenn die eigene Existenz auf dem Spiel steht – und jedem ist klar, dass HG sein Wohn-Lebenskonzept so nicht weiterführen kann; es gibt keinen preiswerten Wohn- und Gewerberaum mehr in Berlin – würde wahrscheinlich jeder nach dem Strohhalm der Verlängerung greifen. HG bleibt hier nur der Zwang zur Wahl zwischen zwei schlechten Optionen. Wäre er auf das Angebot nicht eingegangen, hätte ihm die sofortige Obdachlosigkeit gedroht.

Der psychische Druck mit körperlichen Folgen sind HG deutlich anzusehen. Selbst wenn sich für HG unerwarteterweise eine Alternative für sein Wohn-Lebenkonzept ergibt, ist dies ein Zwangsumzug. Wieviel mehr Möglichkeiten hat hingegen der Hauseigentümer, der als Inhaber von mehreren Geschäften am Kudamm und in der Friedrichstraße mehrere Millionen Euro Umsatz im Jahr macht!

Der Aufschub der Zwangsräumung nach dem 20.9. ist bewusst nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus gelegt, damit sich die Parteien im Wahlkampf nicht mit der Fratze der Armut, der drohenden Obdachlosigkeit und den polizeilichen Massnahmen zur Durchsetzung der Profite von Hauseigentümern auseinandersetzen müssen.

Wir sehen den Kampf um den M99 in einer Reihe mit den Kämpfen um die Friedel 54, die Rigaer Straße und allen anderen Projekten, die von Verdrängung bedroht sind. Es geht bei HG/dem M99 aber nicht nur um ein Symbol der linken Szene, sondern auch um einen Menschen, der akut von Obdachlosigkeit bedroht ist. In unserem Bündnis entscheiden die Betroffenen zu jeder Zeit selbst. Wir unterstützen alle Entscheidungen von HG, weil wir nachempfinden können, dass niemand kurz vor einer Zwangsräumung eine Gnadenfrist ablehnen mag.

Die breite Mobilisierung und die vielfältigen Aktionen der letzten Wochen haben gezeigt, dass die Solidarität mit HG groß ist. Gemeinsam werden wir uns der nach wie vor bevorstehenden Räumung entschlossen entgegenstellen. HG/ M99 bleibt!

Verdrängt in Berlin: Di., 9.8. // Solidarische Prozessbegleitung

„Hände Weg Vom Wedding“ mit Unterstützung vom Bündnis „Zwangsräumung Verhindern“ rufen zur solidarischen Prozessbegleitung auf. Am 09.08.2016 gibt es als Anlaufpunkt ab 10:15 eine Kundgebung gegen Zwangsräumungen vor dem Landgericht Berlin in der Littenstraße (U Klosterstraße nahe Alexanderplatz).

Am 09.08.2016 sollte nicht nur HG und der M99 geräumt werden. Auch für eine WG aus der Dubliner Straße im Wedding ist der Tag für ihre weitere Zukunft entscheidend. Denn am 09.08.2016 wird vor dem Landgericht um 11:00 über ihre mögliche Räumung verhandelt. Es geht dabei um Mietrückstände die durch vermeintlich unrechtmäßige Mietminderungen der WG entstanden wären. In der ersten Instanz nahm sich der Richter keine Zeit für die Argumente und Beweise der WG. Stattdessen urteilte er voll und ganz im Sinne des Vermieters. Nun bleibt zu hoffen, dass sich diese eigentümerfreundliche Rechtssprechung nicht vor dem Landgericht fortsetzt. Ansonsten sitzt die WG auf der Straße. In dieser beschissenen Situation wollen wir keine*n alleine lassen und rufen zur solidarischen Prozessbegleitung auf. Als Treffpunkt gibt es vor dem Landgericht ab 10:15 eine Kundgebung gegen Zwangsräumungen. So können wir schon vor dem Prozess ein Zeichen setzen, dass die WG ihren Kampf nicht alleine führen muss. Verdrängt in Berlin? – Nicht mit uns!

Wenn Wohnungseigentümer*innen und Gerichte Menschen aus ihren Wohnungen verdrängen,
Wenn Briefkastenfirmen Bruchbuden vermieten und keine Mietminderung dulden wollen,
Wenn uns Mieter*innen noch die letzten legalen Mittel des Widerstandes genommen werden,

Dann müssen wir etwas dagegen tun! – Immer und überall!
Unsere Solidarität gegen ihre Profitgier!

Verdrängt in Berlin: Folge 19 – Sicherheitsleistung

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Nach dem Urteil am Amtsgericht Wedding hätte die Nicht-WG geräumt werden können. Das ist trotz ihrer Berufung am Landgericht möglich. Obwohl der Rechtsstreit somit noch nicht beendet ist, droht die Räumung. Eine Möglichkeit diese abzuwenden, ist das Hinterlegen einer sogenannten „Sicherheitsleistung“. Doch diese gilt nur, wenn die WG sie vor der Vermietung am Kriminalgericht Moabit hinterlegt. Also begann ein regelrechtes Rennen um die schnellstmögliche Bezahlung. Die nötigen 4.500 Euro sollten in bar oder durch eine „schriftliche, unbedingte, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts“ hinterlegt werden. Letzteres ist im Übrigen Amtsdeutsch für Überweisung. Geld überweisen klingt relativ einfach – ist es aber nicht. Denn um die Kontodaten zu erhalten, sind viele Anträge und noch mehr Wartezeit notwendig. Nach einem Computercrash am Gericht und mehreren Tagen Warten, kam endlich ein Schreiben mit der gewünschten Kontoverbindung der Hinterlegungsstelle. Allerdings war die Verbindung falsch und die richtige konnte erst mit einer Internetrecherche ermittelt werden. Nach dem ganzen Stress wurde das Geld endlich unter der Referenznummer 1312 überwiesen – glücklicherweise vor der Vermietung. Damit gewann die Nicht-WG das Rennen! Vorerst konnte eine Räumung damit abgewendet werden.

Kleiner Ausblick auf das Staffelfinale: Gerichtstermin am Dienstag um 9.8. um 11 Uhr
Treffpunkt: 09.08 | 10:15 Uhr | Landgericht Berlin | Littenstr. 12-17 | Raum I/1806

Die Folgen der zweiten Staffel: Folge 10, Folge 11, Folge 12, Folge 13, Folge 14, Folge 15, Folge 16, Folge 17, Folge 18

Die Folgen der ersten Staffel: Folge 1, Folge 2, Folge 3 und 4, Folge 5, Folge 6, Folge 7, Folge 8, Folge 9.

HG/M99: Zu den letzten Entwicklungen

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Die Zwangsräumung des M99 am 9.8. wurde abgesagt. Dies ist auch auf den Druck von stadtpolitischen Initiativen und die Angst vor großen Protesten zurückzuführen. Es ist aber kein Grund zum Feiern. Die Existenz des M99 ist weiter in großer Gefahr. Nach dem 20. September könnte es erneut einen Räumungsversuch geben.

HG hat sich entschlossen seine Wohnung zu räumen um den Laden noch länger weiterführen zu können. Andere hätten sich vielleicht anders entschieden, aber wir finden, dass Betroffene immer selbst über ihre Räumungsangelegenheiten entscheiden sollten und waren nie an Verhandlungen mit dem Vermieter beteiligt. Der Kampf gegen die Räumung des M99 ist aber auch ein Kampf gegen steigende Mieten und Verdrängung.

Über die breite Solidarität mit HG und der M99 haben wir uns sehr gefreut. Wir hoffen, dass ihr mit uns zusammen HG weiter in seinem Kampf gegen die Räumung unterstützt. Kommt zur Kiezdemonstration gegen die M99-Räumung und für eine solidarische Stadt.

* KIEZDEMO
Sonntag, 07.08.16 / 16:00 Uhr
Heinrichplatz, Kreuzberg

Route: Heinrichplatz > Oranienstr. > Adalbertstr. > Kottbusser Tor > Skalitzer Str. > Manteuffelstr. > Muskauerstr. > Eisenbahnstr. > Lausitzer Platz > Skalitzer Str. > Görlitzer Bhf.

Zur Räumung der drei Besetzungen Nikis, Orfanotrofeio und Hurriya in Thessaloniki

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Am letzten Mittwoch, den 27.07. wurden in Thessaloniki zeitgleich um 6 Uhr früh drei besetzte Häuser von hunderten Riot Cops geräumt und dabei insgesamt 74 Menschen festgenommen.

Der Squat Nikis, der direkt an der Ufer Promenade ‚Leoforos Nikis‘ liegt und in Besitz der Universität von Thessaloniki ist, besteht seit den Aufständen im Jahr 2008, die in ganz Griechenland nach der Ermordung des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos in Athen durch einen Polizisten stattfanden. Nikis beherbergte Genoss*innen aus Thessaloniki und ihre internationalen Besucher*innen, öffnete allerdings auch in den letzten Monaten die Türen für mehrere Flüchtlingsfamilien.

Orfanotrofeio war ein ehemaliges Waisenhaus, das der Kirche übertragen wurde, die die Gebäude verfallen ließ, obwohl sie dort wieder eine soziale Einrichtung hätte etablieren sollen. Das Anwesen liegt im besseren Stadtteil Tuba und es gibt großes Interesse, dort ein kommerzielles Bauprojekt durchzuführen. Nur zwei Stunden nach der Raeumung rückten die Bulldozer an und begannen alles dem Erdboden gleichzumachen. Beim Abriss von Orfanotrofeio zerstörten die Baufirmen neben dort gelagerten Kleiderspenden und Medikamenten auch noch alle Utensilien der No Border Kitchen, die vor allem auf Lesbos Geflüchtete versorgt hatte. Ein Auslagern dieser Materialien wurden den Freund*innen verboten – auf welcher Grundlage ist bisher unklar. Fest steht, dass die Repressionsapparate gehörig an Tempo aufnehmen.

So ist dieses Projekt der Selbstorganisierung endgültig Geschichte. Dort hatten lokale Aktivist*innen mit regelmäßig zwischen 60 und 90 Geflüchteten nicht nur gelebt, sondern politische Initiativen entwickelt. Insgesamt lebten in Orfanotrofeio in den letzten Monaten über 600 Geflüchtete.

Der Squat Hurriya (Freiheit) war erst fünf Tage vor der Räumung während des ‚No Border Camp‘ besetzt worden. Das private, leerstehende Wohnhaus war auf Initiative von Menschen besetzt wurde, die bis zur Räumung des Camps in Idomeni monatelang zehntausende Flüchtlinge mit Essen versorgten und den Menschen dort mit Kino-Vorführungen oder Kinderunterhaltung etwas Ablenkung verschafften. Es war quasi grade fertig renoviert und die Einrichtung der Wohnungen organisiert. Das Haus im Zentrum Thessalonikis mit Einkaufsläden und teuren Restaurants in der Nachbarschaft wurde ausgesucht, weil der Besitzer Steuerschulden hat und darauf gehofft wurde, dass er deswegen auf eine Räumung verzichten wird.

Neun Menschen, die in Nikis festgenommen worden waren, wurden bereits wegen Besetzung eines öffentlichen Gebäudes zu 4 Monaten Haft verurteilt, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind. Heute fand eine Verhandlung gegen eine solidarische Anwältin statt, die zur Zeit der Räumung in Orfanotrofeio war. Vor 50 Freund*innen im Gerichtssaal und nochmal so vielen davor – die von einer ähnlichen Anzahl Riot Cops begleitet wurden – wurde auch sie schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt – sie wird allerdings in Berufung gehen. Die Verhandlungen gehen die nächsten Tage weiter. Die festgenommen Geflüchtete wurden in Internierungslage weit außerhalb der Stadt verfrachtet. Einschüchterungsversuche über Repressionen und die Zerschlagung von gewachsenen Strukturen aus lokalen und neu angekommenen Aktivist*innen stehen offensichtlich im Fokus der Herrschenden.

Insgesamt scheint diese Aktion, die mitten in der Urlaubszeit stattfand, eine neue Ära im Kampf der Herrschenden gegen die Solidaritätsbewegung einzuläuten. Schon während des No Border Camps gab es eine enorme Kampagne, die Medien berichteten von den Vandalen, die aus ganz Europa angereist seien, um Thessaloniki zu zerstören. An vorderster Front dabei der Bürgermeister und der Uni-Präsident, da das Camp als Besetzung auf dem Campus stattfand. Gemeinsam mit der Polizei forderten sie ständig die Räumung, zu dieser Zeit wollte wohl die Syriza-Regierung den Konflikt noch vermeiden – schließlich waren über 2000 Aktivist*innen in der Stadt. Nun hat die ehemalige Bewegungspartei wohl einen anderen Kurs eingeschlagen und die acht Refugee-Housing-Squats in Athen bereiten sich auf den Widerstand vor.

Und es gab auch im direkten Anschluss mehrere Aktionen, das Syriza-Büro in Thessaloniki sowie die Theaterschule wurden kurzzeitig besetzt, das Büro der Baufirma, die den Abriss von Orfanotrofeio durchführt, ging in Flammen auf und in Athen gab es am 28. eine große Soli-Demo, die gemeinsam von den verschiedenen Housing-Squats organisiert wurde. Am Sonntag früh flyerten Menschen während der Messe im Erzbistum, es allerdings gab es 28 Festnahmen und die Medien berichteten, sie hätten in der Kirche randaliert. Die Stimmung in der griechischen Gesellschaft, die eigentlich großteils solidarisch mit den Geflüchteten und Unterstützenden ist, scheint sich auf Grund der Kampagnen der privaten Medienlandschaft allerdings eher gegen die Solidaritätsbewegung zu entwickeln.

Das Bündnis Zwangsräumung Verhindern Berlin und – wie auf dem Photo zu sehen – viele weitere Menschen senden alle Solidarität nach Thessaloniki und an alle Genoss*innen und Freund*innen in Griechenland und überall auf der Welt, die sich denjenigen annehmen, welche sich auf der Flucht befinden und auf der Suche nach einem würdigen Leben sind. Eine EU, die mit Deutschland an der Spitze ein mörderisches Grenzregime errichtet hat, ist zu verdammen. Wenn Regierungen, die in der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten selbst total versagen, nun diejenigen bekämpfen, die solidarische versuchen, die gröbsten Nöte abzuwenden und sich gemeinsam mit den Geflüchteten zu organisieren, ist transnationaler Widerstand angesagt.

Solidarity knows no borders! You can’t evict a movement!

Eine ausführliche Analyse, insbesondere der Politik von Syriza in Bezug auf soziale Bewegungen findet sich hier: https://roarmag.org/essays/criminalizing-solidarity-movement-refugees-greece/

Der offene Brief des Nikis Squat an Alexis Tsipras wurde von Beyond Europe hier dokumentiert: https://noborder.beyondeurope.net/open-letter-to-alexis-tsipras-and-his-government/