Sit-in bei der WBM am Di., 15.01.

Am Dienstag, den 15.01.2013 um 10.30 Uhr hatten sich ca. 30 Menschen zu einem Sit-in im Foyer der WBM (Wohnungsbaugesellschaft Mitte) in der Dircksenstr. 38, 10178 Berlin, eingefunden. Sie unterstützten damit das von Zwangsräumung bedrohte Ehepaar K. aus der Lübbener Straße in Berlin-Kreuzberg.

Der Geschäftsführer der WBM, Lars Ernst, und der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Ephraim Gothe, wollten an diesem Tag darüber entscheiden, ob das Ehepaar K. in der Wohnung bleiben kann. Solidarität und der gemeinsame Kampf gegen Verdrängung und Zwangsräumung haben in Kreuzberg einen hohen Stellenwert. Deshalb wollten die Unterstützer_innen gemeinsam mit Frau K. die, für das Ehepaar existentielle, Entscheidung abwarten. Frau K. und Vertreter der Presse waren anwesend.

Der Pförtner und anwesende Gebäudereiniger waren einigermaßen überrascht, als die Gruppe das Foyer betrat und sich auf dem Boden niederließ. Aber ersterer versuchte nicht das zu verhindern und zweitere standen in nachfolgenden Gesprächen dem Anliegen eher wohlwollend gegenüber. Anders die hinzugeeilte Pressesprecherin der WBM. Erst leugnete sie, dass es ein Gespräch über die bevorstehende Zwangsräumung überhaupt geben soll und versuchte die Unterstützer_innen mit Versprechungen und Drohungen zum gehen zu bewegen. Nachdem es ihr gelang, sich an das Redeverhalten konsensorienter Gruppen wie eine Redner_innenliste zu gewöhnen, entsann sie sich eines besseren und gab nicht nur zu, dass es ein Gespräch geben werde, sondern auch noch dessen Zeitpunkt. Der Applaus für ihre Offenheit und die Ankündigung, das Ergebnis des Gespräches im Foyer abwarten zu wollen, hat sie dann aber anscheinend überfordert und sie viel wieder dahin zurück, den Unterstützer_innen mit einer Räumung des Foyers zu drohen. Da das nicht fruchtete, verliess sie das Foyer. Derweilen konnten unentwegt Aufklärungsarbeit bei den Besuchern und Angestellten der WBM, die das Foyer durchquerten, geleistet und jede Menge Flyer verteilt werden.

Dann kam ER. Zuerst erkannte IHN niemand, da SIE ja in Natura immer ganz anders aussehen als auf den gelackten Pressefotos. Aber Geschäftsführer der WBM Lars Ernst war genauso wie er auf dem Foto aussieht: aalglatt. Geschult im Reden ohne was zu sagen, dem liberalala Diskurs von „wir können doch alle miteinander reden“ folgend. Machtverhältnisse zwischen Mieter und Vermieter? Ein 70 und 80 Jahre altes Ehepaar nach 37 Jahren Mietverhältnis aus der Wohnung schmeißen? Damit hat der feine Herr mit der wohltemperierten Artikulation und über 250.000 Euro Jahresgehalt kein Problem. Im Gegenteil, nach eigener Aussage, würde er ihnen auch keine Ersatzwohnung anbieten, wenn er nicht der Geschäftsführer einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft wäre, sondern sie einfach auf die Straße schmeißen. Ob dieser asozialen Unverschämtheiten ist dann einigen der Kragen geplatzt und der zivilgesellschaftliche Diskurs wurde etwas lauter und heftiger geführt was dem sensiblen Herrn Geschäftsführer aber dann zuviel war und er während er vornherum weiter lächelnd parlierte, hintenrum die Polizei holte. Die kam dann auch mit einem knappen Dutzend angerauscht. Da sie leider wie üblich keinen Durchblick hatten und anstatt den gemeingefährlichen Geschäftsführer in Gewahrsam zu nehmen, die Unterstützer_innen behelligten, haben diese gegen 12 Uhr gemeinsam die WBM verlassen ohne zu verraten, wann und mit wie vielen sie wieder kommen oder ob sie die feinen Herren und Damen doch ganz woanders besuchen…

PS: Bei dem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der WBM, Lars Ernst, und der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Ephraim Gothe, gab es kein positives Ergebnis für das Ehepaar K. Soviel zum „…Mietenbündnis der sozialen Wohnungspolitik…“ des Senates und der „sozialen Verantwortung der WBM.

Presse: Sit-In bei der Wohnungsbaugesellschaft – Aktivisten wehren sich gegen Zwangsräumung, RBB Nachrichten

Zum Hintergrund: WBM bedroht Rentnerehepaar mit Zwangsräumung

Das 70 bzw. 80 Jahre alte Ehepaar K. ist 1969 aus der Türkei nach Berlin gekommen und lebt seit 37 Jahren in der Wohnung in der Lübbener Straße in Kreuzberg. Sie fühlen sich in ihrem Kiez zuhause und erfahren dort nachbarschaftliche Hilfe. Nach langwierigen und anstrengenden Rechtsstreitigkeiten hat das Ehepaar, entnervt und verzweifelt, einem gerichtlichen Vergleich mit der WBM zugestimmt, der auch beinhaltet die Wohnung zu verlassen. Das Ehepaar K. will aber in seiner Wohnung bleiben!

Die WBM hat eine Ersatzwohnung an einem anderen Ort angeboten, die kleiner aber genauso teuer ist. Warum fordert die WBM von einem alten Ehepaar den Umzug in eine andere Wohnung und Umgebung? Sie kann die Wohnung im angesagten Wrangelkiez wesentlich teurer neu vermieten. Die WBM ist aber eine städtische Wohnungsbaugesellschaft. Ist es schon bei privaten Eigentümern nicht hinnehmbar, dass Menschen aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt werden, so ist dies bei einem Eigentümer, der sich in öffentlicher Hand befindet, absolut inakzeptabel.

Erfolgreiche Verhinderung einer Zwangsräumung am Kottbusser Tor…

Wie gestern, Montag, den 14.01.2013, bekannt wurde, hat die GSW Immobilien AG die Zwangsräumung einer fünfköpfigen Familie am Kottbusser Tor zurückgenommen. Gemeinsames Handeln des Bündnisses „Zwangsräumung verhindern“ und der Mieter_inneninitative „Kotti&Co.“ hatte den Druck auf GSW und Politik so erhöht, dass diese eine positive Lösung für die Familie finden mussten. Lösungen im Einzelfall können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin viele Mieter_innen von Verdrängung bedroht sind. Sie zeigen aber, dass Widerstand möglich ist und durch solidarisches und kollektives Handeln erfolgreich sein kann.

…als Beispiel für die WBM

Wir erwarten, dass die WBM als öffentliche Wohnungsbaugesellschaft nicht hinter die GSW zurückfällt. Die GSW, eine ehemals öffentliche Wohnungsbaugesellschaft, wurde 2004 vom rot-roten Senat privatisiert. Wenn es einer privatisierten Wohnungsbaugesellschaft möglich ist eine Zwangsräumung zurückzunehmen, dann kann es unmöglich sein, dass eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft eine Zwangsräumung durchführt.

Hohe Mieten, Verdrängung, Zwangsräumung

Zwangsräumungen stehen im Kontext massiv steigender Mieten in Berlin. Immer mehr Menschen können sich die hohen Mieten nicht mehr leisten. Verdrängung hat viele Gesichter: Modernisierung, Mieterhöhung nach Mietspiegel, Jobcenter zahlt die Miete nicht, Umwandlung in Eigentumswohnungen. Zwangsräumung ist nur die gewalttätigste Art der Verdrängung. Das alles ist legal, politisch gewollt und in einer Gesellschaft mit kapitalistischem Wohnungsmarkt völlig üblich.

Solidarischer Widerstand lohnt sich

Aber dieser „Normalität“ von Verdrängung und Zwangsräumung können wir mit Solidarität und kollektivem Handeln etwas entgegensetzen. Am 22.10.2012 verhinderten 150 Menschen mit Blockaden die Räumung einer Familie in der Lausitzer Straße. Die darauf folgende Unterstützung und Solidarität in der Nachbarschaft und in ganz Berlin war so groß, dass ein zweiter Räumungsversuch verschoben wurde.

Wir wehren uns gemeinsam gegen hohe Mieten, Verdrängung und Zwangsräumung! Wir bleiben alle!