Kategorie-Archiv: Allgemein

Offener Brief an Eigentümer André Franell

Nach der erfolgreich verhinderten Zwangsräumung am Montag, den 22.10.2012 schreibt die Unterstützer_innengruppe gegen Zwangsräumungen einen offenen Brief an den Eigentümer der Lausitzer Str. 8, André Franell.

In dem Brief äußert die Unterstützer_innengruppe ihr Unverständnis über die harte Haltung Franells in der Sache der Zwangsräumung, da er eine Stiftung unterhält (http://franell-stiftung.de), die u.a. Menschen helfen will, die „… einfach aus Ihren Häusern vertrieben worden (sind)“.

Sie fordert den Eigentümer auf, eine weitere Eskalation des Konfliktes zu verhindern indem er die Kündigung zurücknimmt, da auch ein weiterer Räumungsversuch angesichts der überwältigenden Solidarität der Nachbarschaft sowie unzähliger Mieterinitiativen in der ganzen Stadt erfolglos bleiben wird.

Folgend der offene Brief im Wortlaut:

Offener Brief vom 8. November 2012

Franell Consulting GmbH
z. Hd. Herr André Franell
Emser Str. 9
10719 Berlin

Sehr geehrter Herr Franell,

die Franell Consulting GmbH ist Eigentümerin des Hauses Lausitzer Straße 8 in 10999 Berlin. In diesem Haus wohnt die Familie Gülbol mit ihren drei Kindern. Sie haben dieser gekündigt, nachdem die Familie einen Prozeß wegen Mieterhöhung verloren hatte. Die Kündigung erfolgte wegen einer Fristverletzung, die ausstehende Mieterhöhung ist längst beglichen.

Sie betreiben eine Stiftung mit dem Anspruch „Damit es allen Menschen auf unserer Welt besser geht, helfen wir ein kleines Stück mit und hoffen, dass wir unsere Aktivitäten in den nächsten Jahren ausweiten können…“. Mit dieser Stiftung wollen Sie u.a. Menschen helfen, die „… einfach aus Ihren Häusern vertrieben worden (sind)“. Dies erscheint uns mit ihrem Vorgehen in der Lausitzer Straße schwer vereinbar zu sein.

Wie Ihnen sicher wegen des großen Medienechos bekannt ist, ist die Zwangsräumung der Familie Gülbol am Montag, dem 22.10.2012, am Widerstand der Nachbarinnen und Nachbarn gescheitert. Die überwältigende Solidarität der Nachbarschaft sowie unzähliger Mieterinitiativen in der ganzen Stadt lässt vermuten, dass auch ein weiterer Räumungsversuch erfolglos bleiben wird.

Es liegt in Ihrer Hand eine weitere Eskalation des Konfliktes zu verhindern und wir hoffen, dass Sie Ihrem Stiftungsgedanken nicht zu wider handeln werden.
Deshalb bitten wir Sie, die fristlose Kündigung rückgängig zu machen und der Familie Gülbol einen Verbleib in der Wohnung zu ermöglichen.

In Erwartung einer baldigen Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
Bündnis Zwangsräumung verhindern

Solidaritätserklärung unterzeichnen!

Bitte unterzeichnet untenstehende Solidaritätserklärung und tragt euch in den SMS-Verteiler ein. Schickt sie weiter an Freund_innen, Bekannte, Organisationen, Vereine, den Kiezladen um die Ecke, öffentliche Personen…

——————

Solidaritätserklärung für die von Zwangsräumung bedrohte Familie in der Lausitzer Straße

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ möchten Sie fragen, ob Sie zur öffentlichen Unterstützung einer Familie aus dem Reichenberger Kiez bereit wären. Wir bitten Sie um die Unterschrift unter folgende Solidaritätserklärung:

Am 22.10.2012 wurde in der Lausitzer Straße 8 in Berlin-Kreuzberg die Zwangsräumung der 5-köpfigen Familie Gülbol aktiv verhindert. Mehr als 150 Nachbar*innen, Freund*innen der Familie und Miet-Aktivist*innen verwehrten mit Sitzblockaden der Gerichtsvollzieherin Susok den Zutritt zur Wohnung. Frau Susok kündigte an, dass es einen neuen Termin geben werde.
Der Räumungsversuch geschah vor dem Hintergrund von rasant steigenden Mieten in ganz Kreuzberg und Berlin. Immer mehr Menschen werden aus ihrem Wohn- und Lebensumfeld verdrängt. Die Gülbols sind nicht die einzigen Betroffenen dieser politisch gewollten Entwicklung. Die Familie ist jedoch eine der ersten, die sich aktiv und öffentlichkeitswirksam gegen die Räumung wehrt. Sie haben angekündigt, weiter in ihrer Wohnung zu bleiben. Ich erkläre mich mit ihnen solidarisch und unterstütze sie in ihrer Entscheidung.

– Ich fordere den Hausbesitzer André Franell auf, die Kündigung der Familie Gülbol, die seit 16 Jahren in dem Haus wohnt, zurückzuziehen.
– Ich erkläre hiermit, mich an einer Sitzblockade vor dem Haus der Familie zu beteiligen, sollte es einen weiteren Räumungsversuch geben. Die Gerichtsvollzieherin wird auch dann den Räumungstitel nicht vollstrecken können.

Bitte antworten Sie an: zwangsraeumungverhindern@riseup.net

Die öffentliche Erklärung von Unterstützerinnen und Unterstützern aus den Bereichen Vereine/Initiativen, Gewerbetreibende aus dem Stadtteil, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen wird Anfang November der Presse übergeben.

Mit besten Grüßen,
Bündnis Zwangsräumungen verhindern

——————

Sie können sich anonym in unseren SMS-Verteiler eintragen, um schnellstmöglich über den nächsten Räumungstermin informiert zu werden. Dazu schreiben Sie bitte eine E-Mail mit Ihrer Handynummer an folgende E-Mailadresse: zwangsraeumungverhindern@riseup.net

Links:
http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de
http://www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/nachbarn-verhindern-raeumung-nach-zwangsversteigerung-berlin,7169128,20694364.html
http://www.neues-deutschland.de/artikel/802130.zwangsraeumung-blockiert.html
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/kreuzberg-wachsender-protest-gegen-zwangsraeumungen,10809148,20702080.html

Solidarität aus Spanien

Die spanische Bewegung „Zwangsräumungen stoppen“ (stop desahucios / Plataforma de Afectados por la Hipoteca – PAH) gratuliert zur erfolgreichen Verhinderung der Zwangsräumung in der Lausitzer Str. am Montag, den 22.10.2012, und sendet internationalistische Grüße:

„Die Compañer@s in Deutschland haben sich die herangehensweise der PAH zu eigen gemacht um diese Zwangsräumung zu verhindern. Von hier aus senden wir ihnen all unsere Hilfe, Kraft und Solidarität. Wir möchten unseren Wunsch nach einer weiteren, engen Zusammenarbeit bei zukünftigen Aktionen ausdrücken. Entgegen einem Europa der Austeritätspolitik, der Troika und der Rettung der Finanzstrukturen werden wir ein Europa von unten aufbauen, solidarisch und in dem die Menschen an erster stelle stehen.“

Dem brauchen wir wohl nichts hinzuzufügen. Hintergrundinformationen im Artikel „Breiter Widerstand gegen Zwangsräumungen in Spanien“ (ak / Nr. 571 / 20.4.2012 ):

„Die Erfahrung von Solidarität und der Erfolg einer verhinderten Räumung führen dazu, dass viele weiter aktiv bleiben. Der erste Schritt ist oft die Einsicht, mit der eigenen Situation nicht alleine zu sein. Durch die Bewegung konnte der herrschende Diskurs verändert werden: Räumungen werden nicht mehr als selbstverschuldet wahrgenommen,…“

Stop Zwangsräumungen – Schild

vom Mietenstopp-Blog:

Die in Spa­ni­en bei Pro­tes­ten gegen Zwangs­räu­mun­gen üb­li­chen Stop-​Schil­der waren am Mon­tag auch in der Lau­sit­zer Stra­ße zu sehen: STOP Des­a­hu­ci­os! Jetzt gibt es zwei deutsch über­setz­te Ver­sio­nen davon, eine im Stil des spa­ni­schen Stopp­schilds, eines im Stil des deut­schen.

Stop Zwangsumzüge - Stoppschild spanisch        Stop Zwangsumzüge - Stoppschild deutsch
200×200 Pixel
250×250 Pixel
664×664 Pixel
150×150 Pixel
200×200 Pixel
250×250 Pixel
400×400 Pixel
600×600 Pixel
2010×2010 Pixel


In Spa­ni­en trägt das Schild zur Zeit Trau­er, nach­dem sich in Gra­na­da der 54-​jäh­ri­ge Mi­guel Ángel Do­min­go aus Ver­zweif­lung über seine be­vor­ste­hen­de Zwangs­räu­mung das Leben ge­nom­men hat.

Presse zur verhinderten Zwangsräumung

Hier eine Sammlung von Presseartikeln, die sich auf die verhinderte Zwangsräumung beziehen:

25. Oktober 2012
Jungle World: Ein zurückhaltendes Ja

24. Oktober 2012
Berliner Zeitung: Wachsender Protest gegen Zwangsräumungen
Junge Welt: Zwangsräumung gestoppt
Morgenpost: Nachbarn verteidigen Familie gegen Gerichtsvollzieher

23. Oktober 2012
Neues Deutschland: Zwangsräumung blockiert
Junge Welt: Erfolgreiche Sitzblockade gegen Zwangsräumung in Berlin-Kreuzberg
Berliner Zeitung: Protestaktion: Kreuzberger verhindern Zwangsräumung
Berliner Kurier: Nachbarn verhindern Zwangsräumung
taz: Zwangsräumung ausgesetzt: Gerichtsvollzieherin dreht um
Telepolis: Kein Durchkommen für Gerichtsvollzieherin, Telepolis
Tagesspiegel: Kreuzberg Zwangsräumung durch Nachbarn verhindert

Kundgebung gegen Zwangsräumung

Kundgebung gegen Zwangsräumung
Emser Straße 9, 10719 Berlin-Charlottenburg
Mittwoch, 24.10.2012, 16 Uhr

Nach der verhinderten Zwangsräumung in der Lausitzer Straße am Montag gilt es nun den Eigentümer Andre Franell zu überzeugen die Räumung ganz zurückzunehmen.

Zwangsräumung? Verhindert! Ein Geschichte über Verdrängung und Widerstand…


Pressemitteilung vom 23.10.12 zum Download

Interview mit Ali Gülbol

Heute morgen wurde in Berlin-Kreuzberg die Zwangsräumung einer Familie erfolgreich verhindert. Über 150 Leute blockierten Gerichtsvollzieherin und Anhang. Die Räumung wurde abgesagt und vorerst verschoben. Zu den Hintergründen der Zwangsräumung veröffentlicht die Unterstützer_innengruppe ein Interview mit Ali Gülbol, einem Mitglied der Familie.
Weiterlesen

Zwangsräumung wurde gerade verhindert!

YippieYippieYeah – Gerichtsvollzieherin in die Spree! Zwangsräumung wurde gerade verhindert!

In Berlin-Kreuzberg, Lausitzerstr. 8, wurde die Zwangsräumung einer Familie durch ca. 200 Nachbar*innen, Freund*innen der Familie und (Miet-)Aktivist*innen verhindert.
O-ton Gerichtsvollzieherin: die Räumung wurde vorerst eingestellt wg „massiver Ausschreitungen“ 😉 Die gabs nur in ihrer Fantasie, was es aber gab waren viele, viele Leute, die sehr, sehr laut waren!

Heute Abend 19 Uhr, Spreewaldplatz, Kreuzberg, wird die Verhinderung der Zwangsräumung mit einer großen Demo gefeiert.

*english version below*
Weiterlesen

Verhinderung einer Zwangsräumung in Kreuzberg

Pressemitteilung vom 22.10.2012
Verhinderung einer Zwangsräumung in Kreuzberg

Gerade in diesem Moment (22.10., 9 Uhr) wird in der Lausitzer Straße 8 in
Berlin-Kreuzberg die Zwangsräumung einer 5-köpfigen Familie aktiv
verhindert. Mehr als 150 Nachbar*innen, Freund*innen der Familie und
(Miet-)Aktivist*innen verwehren mit Sitzblockaden der
Gerichtsvollzieherin (sowie der Polizei) den Zutritt zur Wohnung. Die
Familie, seit nunmehr 16 Jahren wohnhaft in dieser Wohnung, hatte sich
juristisch gegen die Zwangsräumung gewehrt. Sie ist fest entschlossen zu
bleiben und rechnet auch weiterhin mit Unterstützung aus der
Nachbarschaft. Familienvater Ali: „Wir wollen ein Zeichen setzen, dass
sich Betroffene von Räumungen wehren, damit die Leute nicht mehr unbemerkt
aus ihren Wohnungen geschoben werden. Wir lassen das nicht mehr mit uns
machen!“

Die heutige Verhinderung der Räumung ist ein Zeichen praktischer
Solidarität mit von Verdrängung bedrohten MieterInnen in Berlin. Seit
Jahren steigen in der Stadt die Mieten immer rasanter. Die Wohnungsnot
spielt Vermietern wie Andre Franell in die Hände: Er lässt die
Bewohner*innen seiner Häuser räumen, weil er auf höhere Mieten bei
Neuvermietung spekuliert. Franell gibt sich das Image des sozialen
Wohltäters und betreibt eine gemeinnützige Stiftung, die
zwangsumgesiedelten Menschen in Thailand hilft. Als Immobilienbesitzer
zeigt er seine andere Seite und verlangt von seinen MieterInnen
Mieterhöhungen und droht mit Räumungsklagen.

Die drohende Zwangsräumung steht in einer Reihe mit vielen ähnlichen
Fällen, die unbekannt bleiben. Inzwischen gibt es aber auch organisierten
Widerstand: Am Kottbusser Tor protestieren seit Monaten Mieter*innen gegen
ihre drohende Vertreibung an den Stadtrand. Am Maybachufer in Neukölln
wehrt sich die schwerbehinderte Mieterin Nuriye Cengiz gegen ihre
Entmietung und Zwangsräumung. Immer mehr Menschen sind von Zwangsräumungen
betroffen, auch wenn sie sich an den legalen rechtlichen Weg halten, wie
die betroffene Familie.

Journalist*innen sind eingeladen, sich vor Ort ein Bild von der Situation
zu machen. Weitere Informationen über den Pressekontakt

Hintergrund
Grund für die Zwangsräumung ist ein Streit um eine Mieterhöhung. Die
Familie hatte eine vom Gericht verfügte Nachzahlung über die erhöhte Miete
zwei Monate zu spät beglichen. Obwohl der Vermieter bereits im Januar 2011
die volle Summe erhalten hat, hält er weiter an der Kündigung fest. Nun
hat der Bundesgerichtshof dem Vermieter Recht gegeben