Am 31. 12. 2014 – also in 7 Tagen – soll Frau Frau S. mit ihren drei Kindern ihre Wohnung verlassen, sonst droht ihr die Zwangsräumung. Das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ wird darum am Montag gemeinsam die zuständige Sozialstadträtin von Tempelhof – Schöneberg besuchen. Es kann einfach nicht sein, dass die Privatisierung von Sozialwohnungen zu Mieten führt, die vom JobCenter dann nicht mehr bezahlt werden und dass die Willkür der Jobcenter und die eigentümerfreundliche Rechtssprechung regelmäßig zur Obdachlosigkeit führt.
Gerade hat die Familie von M. nach einer Zwangsräumung durch eine städtische Wohnungsbaugesellschaft im Mai diesen Jahres nach einer langen Odyssee endlich eine Wohnung aus dem geschützten Marktsegment gefunden. Nach Monaten in katastrophalen „Läusepensionen“ war auch für das Land Berlin die Unterbringung dort wesentlich teurer, als die Mietschulden. (Expertise kann auf Anfrage zugeschickt werden)
Wir fordern zum Jahresende eine andere Mietenpolitik, insbesondere der städtischen Wohnungsbaugesellschaften aber zuerst fordern wir einen Stop der Zwangsräumung von Frau S., mindestens aber eine Wohnung für sie und ihre Kinder in ihrem sozialen Umfeld zu den Sätzen, die das Jobcenter für die Miete bereit ist zu zahlen.
Hier der offene Brief an die Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg Sybille Klotz.
Offener Brief an die Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sybille Klotz
Frau S. wohnt in einer ehemaligen Sozialwohnung. Diese Art Wohnungen wurde bekanntermaßen vom Land Berlin privatisiert und den neuen Eigentümern ist es seitdem gestattet, die Miete bis zu einer sogenannten „Kostenmiete“ zu erhöhen. Die Sozialwohnungen wurden seinerzeit in Westberlin mit Steuergeldern finanziert, „koste es, was es wolle“. Mittlerweile sind die Kredite abgelöst und umgeschichtet, die sogenannte „Kostenmiete“ blieb und kann direkt vom Mieter genommen werden – Gewinner sind wie immer die Privateigentümer und Banken.
So auch im Fall von Frau S. in Tempelhof. Sie zog 2006 in eine Sozialwohnung, die dann 2007 privatisiert wurde. Der Eigentümer steigert seitdem die Miete, aktuell zahlt sie für 2 ½ Zimmer 1.470,00 Euro bruttowarm.
Frau S. und ihre drei Kinder bilden aber eine Bedarfsgemeinschaft beim Jobcenter. Mit der letzten Mietsteigerung überstieg die Miete das, was im Behördendeutsch „Kosten der Unterkunft“ heißt und statt dessen meint, wie viel der Staat für Wohnraum von Hartz-4-Beziehern zu zahlen bereit ist. Daher wurde die Mieterin vom Jobcenter aufgefordert, die Kosten ihrer Unterkunft binnen sechs Monaten zu senken – welch ein Hohn. Aber es kommt noch schlimmer. Obwohl Frau S. ihre selbstverständlich erfolglose Wohnungssuche akribisch nachwies, zahlte das Jobcenter nach Ablauf der sechs Monate an die Hausverwaltung der Wohnung von Frau S. nur noch die „Kosten der Unterkunft“, d.h. einen geminderten Betrag. Dabei hätte Frau S. aufgrund der nachgewiesenen Unmöglichkeit, die Kosten der Unterkunft zu senken, einen Anspruch auf vollständige Mietzahlungen gehabt. Das Ergebnis des Handelns des Jobcenters sind Mietschulden, denen die Kündigung folgte.
Da Frau S. alle Hebel in Bewegung setzte, zahlte das Jobcenter die Miete nach, es blieb aber bei einer Kündigung. Die hatte auch vor Gericht bestand, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon keine Mietschulden mehr bestanden, aber auch das ist herrschende Rechtssprechung in Deutschland.
Um das Verfahren abzukürzen und auch das Recht der Berufung zu verwirken, wurde der Mieterin vor Gericht angeboten einen Vergleich zu schließen, um wenigstens noch ein wenig Zeit zur Wohnungssuche zu gewinnen. Ansonsten würde sie demnächst aus der Wohnung fliegen.
Der behandelnde Kinderarzt stellte Frau S. ein Gutachten aus, wonach die Kinder aufgrund der Trennung des Vaters von der Familie an gesundheitlichen und psychosomatischen Folgeerscheinungen leiden, ein Umzug darum ausgeschlossen sei. Frau S. bekam weder einen Räumungsaufschub auf Grundlage dieses Gutachtens noch ein Wohnungsangebot vom Bezirk, obwohl ihr und den drei Kindern die Obdachlosigkeit droht. Die soziale Wohnhilfe des Bezirkes bot ihr eine Wohnung in Reinickendorf oder Marzahn an – weiter weg vom vertrauten sozialen Umfeld der Kinder geht es nicht.
Zum 31.12. 2014, also in sieben Tagen, soll Frau S. mit ihren drei Kindern die Wohnung verlassen. Sie hat bis jetzt keine Alternative.
Das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ wird sie, Frau Klotz am Montag, den 29.12.2014, um 11 Uhr im Rathaus Schöneberg besuchen, weil es einfach nicht sein kann, dass alle Institutionen zum Nachteil der Mieterin und ihrer Kinder handeln: das Land Berlin privatisiert alle Sozialwohnungen, der Privateigentümer kann ins Unermessliche die Miete steigern, das Jobcenter handelt in Willkür, den Fehler muss die Mieterin nun mit einer Zwangsräumung bezahlen und der Bezirk kann trotz Gutachten des Kinderarztes nicht dafür sorgen, dass wenigstens eine Wohnung im vertrauten sozialen Umfeld bereit gestellt wird, geschweige denn, dass die Zwangsräumung verhindert wird.
Das Bündnis, das in der Vergangenheit immer wieder zu Formen des zivilen Ungehorsams aufgerufen hat, wird im Rathaus solange verhandeln, bis sich eine Wohnung findet. Aber wirklich kriminell sind die Wohnungseigentümer, die exorbitante Mieten verlangen können, Politiker, die privatisieren, und das Jobcenter, vor deren Willkür es keinen gesetzlichen Schutz gibt und Richter, die genau das alles ganz normal finden.
Wir setzen auf Vernunft, Menschlichkeit und Verhandlung.