Trauermarsch für Peter H. – Redebeiträge

Redebeitrag vom Bündnis Zwangsräumung verhindern

Ein Mensch ist tot. Sein Name war Peter. Die wenigsten hier kannten ihn persönlich. Trotzdem sind so viele gekommen. Peter sollte aus seiner Wohnung zwangsgeräumt werden. Das hat er nicht ertragen. Deshalb hat er sich umgebracht. Dies hat er vorher angekündigt. Das Gericht, der sozialpsychiatrische Dienst, die Eigentümerin seiner Wohnung, alle wussten das.

Das Gericht hat nach zwei mal drei Monaten Räumungsaufschub gesagt jetzt ist Schluss, muss er mal selber klarkommen. Der sozialpsychiatrische Dienst hat ihm einfach das Ende des Räumungsaufschubs mitgeteilt und hoffte wohl, wird schon alles irgendwie gut gehen. Die Eigentümerin wollte ihn auf Teufel komm raus raushaben. Seine Suizidankündigung war ihr anscheinend egal, seine Wohnung ist ja ihr Eigentum.

Sie alle sind mit schuld an Peters Tod. Es gibt immer Möglichkeiten anders zu handeln. Aber es ist nicht das erste Mal, dass uns beim Bündnis Zwangsräumung verhindern der Tod begegnet. Jemand stand am Tag seiner Zwangsräumung auf dem Dach und sagte er springt. Rosemarie ist zwei Tage nach ihrer Zwangsräumung in einer Notunterkunft gestorben. Wie viele durch den Druck der Kündigung oder die drohende Räumung oder die menschenunwürdige Unterbringung in Läusepensionen krank geworden sind, wissen wir nicht. Darüber gibt es keine Statistik, das schreibt keiner auf.

Unsere Genoss*innen in Spanien, wo sich in den letzten zwei Wochen gleich 2 Leute wegen drohender Zwangsräumung umbrachten, sagen: „Es war kein Suizid, es war Mord.“ Und wir fügen hinzu: „Der Mörder heißt Kapitalismus.“ Jetzt kann man sagen: die Eigentümerin hätte ja nicht so hartherzig sein müssen. Klar, das stimmt, aber Arschlöcher wird es wahrscheinlich immer geben. Die Frage ist doch eher, wie kann eine Gesellschaft organisiert sein in der die Arschlöcher möglichst wenig Macht haben, möglichst wenig über das Leben anderer bestimmen können.

Diese Gesellschaft ist es sicher nicht. Diese Gesellschaft ist aufgebaut auf Ausbeutung, Konkurrenz, die Macht des Privateigentums, die Aneignung der Profite durch die wenigen und der Angst der vielen, die Wohnung oder die Arbeit zu verlieren, den Demütigungen des Hartz-Regimes ausgeliefert zu sein oder im Alter zu verarmen.

Peter wollte nur in seiner Wohnung in Ruhe alt werden. Mehr nicht. Peter wollte nur in seiner Wohnung in Ruhe alt werden!

Jetzt ist er tot. In einer Gesellschaft in der der Mensch und nicht das Eigentum an oberster Stelle steht, würde er wahrscheinlich noch leben.

Sein Tod macht uns traurig – die Umstände machen uns wütend!

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Redebeitrag von Eigenbedarf kennt keine Kündigung (E3K) 

Peter nahm sich anfang diesen Monats kurz vor seiner Zwangsräumung das Leben. Die Zwangsräumung wäre der Endpunkt eines belastenden über 3 Jahre dauernden Kampfes gegen seine Eigenbedarfskündigung gewesen.

Und das obwohl 80qm Wohnraum für die Eigenbedürftige im Haus frei waren. Wir wissen aus eigener Erfahrung wie belastend Eigenbedarfskündigungen für Körper und Seele sein können. Wir kennen die vielen Geschichten anderer wegen Eigenbedarfs Gekündigten, die mit uns zusammen arbeiten oder sich bei uns melden. Die miserable Rechtssituation können Hoffnungslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Gedanken an Suizid jederzeit aufkommen lassen.

Kündigungen und Zwangsräumungen sind Psycho-Terror und Köperverletzung!

Vielleicht erinnert ihr euch noch an Jürgen Rostock, der ebenfalls gegen seine Eigenbedarfskündigung kämpfte. Er starb im März 2018 bevor die Berufungs-verhandlung vor dem Landgericht begann. Damals überschlugen sich Politiker:innen mit Vorschlägen, was gegen Eigenbedarfskündigung und zum Schutz der Mieter:innen gemacht werden müßte.

Was hat sich seitdem in Sachen Eigenbedarfskündigungen oder Zwangsräumungen verändert? NICHTS! Der Bundesgerichtshof hat sogar noch unsere Rechtslage mit Urteilen zu Eigenbedarfskündigungen verschlechtert.

Wir Mieter:innen wissen aus eigener jahrelanger Erfahrung, dass von Politiker:innen und anderen selbsternannten Vermittler:innen nur sehr wenig zu erwarten ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns um uns selbst kümmern, uns gegenseitig unterstützen, keine alleine lassen und gemeinsam kämpfen.

Es sind keine Einzelfälle von denen wir hier reden. Es ist ein System, dass Profite und Eigentum über Menschenleben setzt. Ein solches System wollen wir nicht! Deshalb:

Kämpfen wir gemeinsam gegen alle Formen der Kündigungen und für den Erhalt unser Wohnräume!
Verhindern wir Zwangsräumungen!
Eigenbedarf kennt keine Kündigung!
Wir bleiben alle!

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Solidaritätsadresse der PAH – Plataforma de Afectadas por la Hipoteca  (Plattform der von Hypotheken Betroffenen) aus Spanien

Wir von der PAH, der Plattform, die gegen alle Zwangsräumungen in Spanien kämpft, sind bestürzt zu erfahren, dass Peter, ein Musiker, der vom Schreckgespenst der Obdachlosigkeit bedroht war, in seiner unerträglichen Einsamkeit und Verzweiflung keine andere Möglichkeit sah, als sein Leben zu beenden, weil es in dem Viertel, in dem er seit 30 Jahren lebt, keine Wohnung mehr für ihn gibt.

Im letzten Monat nahmen sich in Spanien zwei Menschen das Leben, als sie unter ähnlichen Umständen wie Peter vor der Zwangsräumung standen.  Seit der Finanzkrise 2008, die Spanien sehr hart getroffen hat, gab es über eine Million Zwangsräumungen von Familien und allein lebenden Menschen wie Peter.  Wir wissen, dass sich immer mehr Menschen in Spanien aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Verschlechterung, die durch die Covid-Pandemie beschleunigt wird, das Leben nehmen.  Wir wissen auch, dass das Risiko dieser Tragödien viermal größer ist, wenn die Menschen wegen einer drohenden Zwangsräumung in Angst leben.

Peter trug keine Schuld an seiner Situation.  Er tat drei Jahre lang sein Bestes, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Es gibt Institutionen, die für diesen Mangel an sozialer Verantwortung, die zu diesen Tragödien führen, verantwortlich sind.

Obwohl eure Regierung, eure Gesetze und die Bedingungen des sozialen Wohnungsbaus sich von den unseren unterscheiden, teilen wir die gleiche Sorge um das grundlegende Menschenrecht auf Wohnen, dessen Verweigerung zu Obdachlosigkeit und der Tragödie führt, die euch alle heute hier vereint hat.

Auch wir von der PAH sind heute hier bei euch.  Wir verfolgen, was in Berlin und anderen Städten in Deutschland geschieht und lernen von euch.  Wir vereinen unsere Sympathien in Solidarität mit dem Kampf, den wir alle teilen, um Zwangsräumungen zu stoppen.

¡SÍ SE PUEDE!  (Ja, wir können!).