Gerichtsverhandlung Wedding-WG

Am Freitag, dem 17.6.2016, wurde vor dem Amtsgericht Wedding die Räumung der WG in der Dublinerstraße verhandelt. Genau genommen stand das Räumungsurteil schon fest.  Ein Vertreter der WG nahm das zum Anlass, eine Erklärung zum Prozess abzugeben.
Die Mietminderung wegen eines Wasserschadens – der so immens war, dass weder Geruch noch Feuchtigkeit ganz aus der Wohnung verschwanden – war zwar vom Richter generell akzeptiert worden. Der Richter sagte, dass die Beklagten die Mietminderung an den Austrocknungsgrad des Wasserschadens hätten anpassen müssen. Dass nach der teilweisen Austrocknung seiner Meinung nach zu wenig Miete bezahlt wurde, nahm er als Grund für eine fristlose Kündigung.
Nicht der Vermieter, hier vertreten durch den bereits bekannten RA Herrn Hellwig, war in der Pflicht der Mängelbeseitigung, sondern der Mieter hätte das ja durchklagen können – so der Richter. In seiner Erklärung stellte der Bewohner der WG diese Rechtssprechung in den Trend der vermieterfreundlichen Klassenjustiz – eben leider kein Einzelfall – und erinnerte an die 5000 Menschen, die kraftvoll zur Walpurgisnacht im Wedding demonstrierten.
Mit „Wir bleiben in unserer Wohnung“ endete die Erklärung der WG. Während der Richter die Erklärung kopieren ging, machten die interessierten Nachbar*innen im Gerichtssaal kein Hehl daraus, was sie vom anwesenden RA Hellwig halten. Einige Nachbar*innen hatten das T-Shirt vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ an. Das Urteil geht nun in die Berufung beim Landgericht. Da die (Nicht)-WG die Sicherheitsleistung hinterlegt hat, hat der Prozess beim Landgericht für die Zwangsräumung eine aufschiebende Wirkung. Zeit, die für die Mieter*innen spielt.
Die WG in der Dubliner Straße liegt im englischen Viertel im Wedding, in dem der erste Reformwohnungsbau überhaupt von Bruno Taut errichtet wurde. Bruno Taut gehört zu den Begründern der Moderne, die preiswerten Wohnraum für Arbeiterfamilien planten – in den 20er Jahren eine Sensation! Aktuell läuft in Venedig die Architekturbiennale, die sich mit dem Thema „Arrival City“ mit vielen Beispielen das Menschenrecht auf Wohnen dem aktuellen Thema gestellt hat. Nur im Amtsgericht Wedding, dieser Kathedrale der Rechtssprechung aus dem letzten Jahrhundert, in der Justizia mit den verbundenen Augen vor dem Eingang entfernt wurde, glaubt man doch immer noch Recht sprechen zu müssen für den „kleinen Mann“ – aus der Position der Herrschenden, von oben herab und in Ignoranz der tatsächlichen Kräfteverhältnisse. Das gleichnamige Buch übrigens von Doug Saunders, einem Kurator in Venedig, hat auf dem deutsprachigen Cover den Satz: Über alle Grenzen hinweg ziehen Millionen Menschen vom Land in die Städte. Von ihnen hängt unsere Zukunft ab.  – Jo, wir freuen uns drauf!