Platzverbote, Psychoterror, Körperuntersuchung – Polizei und Staatsschutz drehen frei! Ein Erfahrungsbericht der elf Personen, die gestern im Anschluss an die Protestaktion gegen die Zwangsräumung in der Reichenbergerstraße 73 festgenommen wurden.
Am Donnerstag, den 27. März gab es Proteste gegen eine Zwangsräumung in der Reichenbergerstraße 73. Rund 120 Nachbar*innen und Aktivist*innen solidarisierten sich mit einer fünfköpfigen Familie, 80 von ihnen versuchten mit einer Sitzblockade den Weg ins Haus zu verhindern, damit die Gerichtsvollzieherin es sich möglicherweise nochmal anders überlegt und von dieser vollkommen unsinnigen Räumung absieht. Die Familie ist nämlich schon ausgezogen, weil sie dem ständigen Druck des Vermieters Ernst Brenning nicht mehr standhalten wollte und konnte. Zudem ist die Miete bis zum Monatsende bezahlt, sie wollten den Schlüssel sowieso 4 Tage später abgeben. Aber nicht nur das! Die Familie ist im Berufungsverfahren
gegen die Zwangsräumung und hat eine Sicherheitsleistung beim Gericht hinterlegt. Wo, wenn nicht hier, wo bereits alle anderen Wege ausgeschöpft sind, ist eine Aktion zivilen Ungehorsams ein legitimes Mittel, um auf die Ungerechtigkeit hinzuweisen, die dieser Familie widerfährt?
Nachdem die Gerichtsvollzieherin mit brutaler Amtshilfe der Polizei diese Zwangsräumung dennoch durchgesetzt hatte, musste die Polizei offenbar ihren gewaltigen Einsatz rückwirkend legitimieren und nahm elf Personen fest und brachte sie zur Erkennungsdienstlichen Behandlung auf zwei verschiedene Dienststellen. Den Festgenommenen werden in unterschiedlicher Zusammensetzung folgende Delikte vorgeworfen: Gefangenenbefreiung, Nötigung, Widerstand und/oder Behinderung einer polizeilichen Maßnahme.
Aber auch das ist noch nicht genug! Noch in Gewahrsam gab es für die meisten der festgenommenen Personen eine sogenannte Gefahrenansprache. Folgendes berichteten uns die Personen, die festgenommen wurden:
+ Die Gefahrenansprache wurden direkt vom Staatsschutz durchgeführt, der sich als solcher auch demonstrativ zu erkennen gab und in offensiv einschüchternder Weise einzeln mit den Verhafteten sprach.
+ Die Gefahrenansprache wurde bei Einzelnen in den Zusammenhang mit den Antirepressionstagen (22.03) gestellt und es wurde gesagt, dass die Sitzblockade vor der Reichenbergerstraße 73 vom Staatsschutz auch in diesem Zusammenhang gesehen wird.
+ Es erging an die Personen eine Aufforderung sich nicht an den Aktivitäten am 31.April und am 1.Mai zu beteiligen und es wurde ein indirektes Platzverbot dort ausgesprochen. Wenn sie dort in polizeiliche Massnahmen geraten, wird es sich straferschwerend auswirken.
+ Ein Verhafteter wurde auf sehr einschüchternde Weise von der vernehmenden Staatsschutzfrau auf seine beiden Kinder angesprochen und das es doch für seine Kinder nicht besonders schön wäre, wenn ihr Vater auf Grund seiner Aktivitäten im Gefängnis landen würde. Als die Person sich weigerte das Alter seiner beiden Kinder anzugeben, wurde ihm von der Beamtin gesagt, das sie das schon rauskriegen werden.
+ Zwei der drei verhafteten Frauen mussten sich vor den Polizeibeamtinnen bis auf die Unterhose nackt ausziehen und die Unterhose am Hintern runterziehen, um sich in den After sehen zu lassen.
+ Ein weiterer Bericht eines Festgenommenen
Diese entwürdigenden und demütigenden Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuche durch Polizei und Staatsschutz gegen Mieter*innen,
Anwohner*innen und Aktivist*innen einer bis zuletzt völlig friedlichen Sitzblockade fordern von uns und der Berliner Öffentlichkeit eine entschlossene
und solidarische Reaktion und Antwort.
Die Festgenommenen haben sich gestern nicht einschüchtern lassen. Die Stimmung unter ihnen war trotz der Situation gut und sie wurden von der Gefangenesammelstelle abgeholt. Selbstverständlich haben sie in den anstehenden Verfahren unsere politische, juristische und finanzielle Solidarität. Wir werden zudem eine öffentliche Untersuchung der Vorfälle während und nach Beendigung der Sitzblockade einfordern.
Die Behandlung und Kriminalisierung der gestern verhafteten Menschen ist anscheinend ein neuer, plumper, dämlicher aber auch sehr aggressiver Versuch, die wachsende Mieterbewegung in den Stadtteilen einzuschüchtern. Die herrschende Politik zeigt zunehmend unverhohlen, dass sie für Widersprüche
zwischen den Rechten der Menschen und Profitinteressen des Kapitals nur eine Strategie kennt: Polizeieinsätze. Es bedarf grundsätzlich einer neuen
gesellschaftlichen Debatte, um andere Lösungen zu erstreiten. Wir müssen unser Leben in unsere eigenen Hände nehmen und uns selber organisieren.
Als ein kleinen Schritt dahin und als solidarische Antwort auf die Kriminalisierung der gestern Verhafteten rufen wir euch auf, morgen zur MieterInnen-Bündnis-Demo von Kotti&Co, Cafe Reiche, dem Bündnis Zwangsräumung verhindern! und dem Bündnis solidarische Stadt zu kommen. Diese startet am Samstag, den 29. März 2014 um 14:30Uhr am Gecekondu am Kottbusser Tor und endet in einer Kundgebung ab 16:00 Uhr vor der Reichenberger Str. 73.
Kiez-Initiative Cafe Reiche und Bündnis Zwangsräumung verhindern!