Böll-Lesung in der Landesvertretung NRW – ein Zeichen für Kalle?

Am Dienstag, den 11.03.2014 fand in der Landesvertretung NRW in Berlin eine Lesung aus den Werken von Heinrich Böll statt. Eingeladen wurde mit den Worten „Seine (Bölls) politische Einmischung stellt bis heute ein Vorbild gesellschaftlichen Engagements dar. Für ihn begann die Freiheit im Kopf.“

Politische Einmischung? Gesellschaftliches Engagement? Freiheit im Kopf?

Da mussten einige Leute sofort an unsere Freund_innen in Köln, der Geburtsstadt Bölls, denken. Und deren zivilgesellschaftlichem Engagement für eine andere Wohnungspolitik und speziell gegen den zweiten Zwangsräumungsversuch von Kalle am 18.03. Diese heutige politische Einmischung wollten wir dem Publikum der Böll-Lesung nicht vorenthalten und informierten diese mit Flyern und einem Transpi, wobei wir viel Zustimmung erfuhren.

Wirklichkeit meets Literatur. Heinrich Böll würde am Dienstag in der Blockade sitzen. Auf nach Kölle – Zwangsräumung blockieren!

Zwangsräumung in Köln blockieren!

Am Dienstag, den 11.3.2014 findet um 19.30 Uhr in der NRW Landesvertretung eine Lesung aus den Werken von Heinrich Böll statt.

Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist…..

Die Lesung steht ganz im Zeichen der bevorstehenden Zwangsräumung von Kalle in Kölln. Zivilgesellschaftliche Kräfte sehen mit Sorge einer weiteren Eskalation der Gewalt entgegen und unterstützen darum den berechtigten Protest der Nachbarschaft.

Um in diesem Konflikt den Krieg zu vermeiden, den die Landesregierung irrsinniger Weise vom Zaum brechen will – man munkelt dahinter steht der Polizeiapparat, der beim ersten Räumungstermin unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren mußte, weil die Proteste zu unübersichtlich waren – hat man bei den großen deutschen Denkern nachgelesen und ist bei Heinrich Böll fündig geworden.

Niemand will den Krieg und die Landesvertretung NRW hat sich darum als Vermittler eingeschaltet. Tägliche Telefonate mit der Landesregierung versuchen den Konflikt von einer militärischen Zuspitzung abzuhalten. Am Mittwoch besucht eine Kontaktgruppe die verantwortliche SPD in Köln.

Am Vorabend veranstaltet die Landesvertretung des NRW eine Lesung. In der Einladung dazu heißt es, Böll ist bekannt „…als kompromissloser Verfechter einer kritischen Öffentlichkeit. Seine politische Einmischung stellt bis heute ein Vorbild gesellschaftlichen Engagements dar. Für ihn begann die Freiheit im Kopf.“ Eine Sonderkommission des literarischen Erbes von Böll hat daraufhin nochmal eine Werkanalyse im Zusammenhang mit Bölls Ideengeschichte gemacht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass alle seine Werke um diesen Moment kreisen: die Zivilgesellschaft erkennt die Wahrheit und wer die Wahrheit kennt, hat den Mut, sich dafür einzusetzen.

Darum gibt die NRW Landesvertretung bekannt, dass die Werke von Böll in leichter Umbenennung, diesem seinem Anliegen nun angepaßt werden und damit auch eine schlüssige Erzählung als Ganzes ergeben. Eine der großen Rätsel der Literaturgeschichte ist damit gelöst. Insbesondere der Vorfall, als der Staat Angst hatte, dass Ulrike Meinhof sich bei ihm verstecken könnte. Darüber gab es bis heute viele Master- und Doktorarbeiten, war Böll heimlicher Terrorist. Nun wissen wir es, er war immer glühender Verfechter des politischen Protestes, aber sein Credo war: der terrorist war immer der staat.

Die leichte Umbenennung seiner Werke zeigt nun die Dichotomie seiner politischen Auffassungen:

Wo warst du SPD? // ….und sie sagten kein einziges Wort // lieber haben sie die Häuser ohne Mieter // und schreiben ihre Wahlreden als Doktor Murkes gesammeltes Schweigen // spielen Billard um halb zehn // behandeln die Blockade wie die Ansichten eines Clowns // und wissen noch nicht, dass die Zwangsräumung das Ende ihrer Dienstfahrt ist

Aber dann sagt nicht, ihr habt es nicht geahnt, wenn ihr eure verlorene Ehre sucht und um Gnade und freies Geleit bittet.

An der Landesvertretung NRW hängt bereits das Transparent „Böll sitzt in der Blockade“.

Die schon ausgelieferten Exemplare von // Wo warst du, Adam? // Und sagte kein einziges Wort // Haus ohne Hüter // Dr. Murkes gesammeltes Schweigen und andere Satire // Billard um halb zehn // Ansichten eines Clowns // Ende einer Dienstfahrt // Die verlorene Ehre der Katharina Blum // Will Ulrike Gnade oder freies Geleit? // können noch verkauft werden. Historische Wahrheiten setzen sich durch.

18.März 7 Uhr | Kalle für Alle

Erneute Blockade gegen zweiten Zwangsräumungsversuch

Am 20. Februar 2014 sollte Karl Heinz Gerigk (Kalle), der seit 32 Jahren eine Dachgeschosswohnung im Kölner Agnesviertel bewohnt, zwangsgeräumt werden. Der Vermieter und Immobilienmakler Marco Hauschild der Objekt-Design GmbH hatte kurz nach dem Erwerb der Wohnung erfolgreich auf „Eigenbedarf“ geklagt. Und das, obwohl er die Wohnung im Internet schon zum Weiterverkauf angeboten hatte.

Dieser Skandal ging in den letzten Wochen durch alle Medien weit über das Rheinland hinaus. Zeitungen, Fernsehsender und Nachrichten begleiteten die versuchte Zwangsräumung und berichteten von der weit verbreiteten Praxis, dass immer mehr Banken, Immobilienfirmen und Spekulanten ihre Finger auf die begehrten Wohn- und Geschäftslagen in Metropolen wie Köln legen.

Erste Zwangsräumung erfolgreich verhindert

Nachdem der Gerichtsvollzieher aufgrund der massiven Blockade von 300 Anwohner_innen und Unterstützer_innen die Räumung von Kalle Gerigk abgeblasen hatte, teilte er umgehend den Termin für seinen zweiten Versuch schriftlich mit. Wir können uns also nicht auf unserem Etappensieg ausruhen – der Termin für den zweiten Zwangsräumungsversuch ist für den 18. März 2014 um 8 Uhr angekündigt. Doch mittlerweile ist das Thema Zwangsräumungen (als besonders gewaltförmige Art der Verdrängung) zum Stadtgespräch geworden und damit von den Behörden nicht mehr nur als “ordnungspolitisches” Problem zu behandeln. Vielmehr steht jetzt die Politik in der Verantwortung, die den Rahmen für das lukrative Immobiliengeschäft mit der Vertreibung setzt.

Wir fordern, dass Kalle Gerigk in seiner Wohnung bleiben kann!

Martin Börschel, Fraktionsvorsitzender der Kölner SPD, hat unmittelbar vor dem ersten Zwangsräumungs­termin versucht, Kalle öffentlich „moralisch“ unter Druck zu setzen. Er hatte vorgeschlagen, dass Kalle die Wohnung verlässt und man eine spontane Demonstration gegen Wohnungsnot und Luxussanierungen organisiert. Darauf hat sich Kalle konsequenter Weise nicht eingelassen. Herr Börschel sollte lieber konkrete Lösungen für das akute Wohnungsproblem zehntausender Menschen in Köln präsentieren, statt dem (Un-)“Recht auf Verwertung des Eigentums” auch noch den Weg zu ebnen.

Kalle für Alle

Kalle Gerigk steht symbolisch für immer mehr Menschen in dieser Stadt: Mieter_innen und Mieter, die nach einer Mieterhöhung zwischen Armut und Auszug wählen müssen. Menschen, die durch Abriss, Luxussanierung oder Anmeldung von angeblichem Eigenbedarf aus der Wohnung gedrängt werden. Menschen mit Durchschnittseinkommen, die in der Stadt trotz langem Suchen keine bezahlbare Wohnung finden. Studierende, die nicht zum studieren kommen, weil sie für Wuchermieten arbeiten müssen. Menschen, die keine Chance bekommen, aus der Obdachlosigkeit auszubrechen. Besonders Migrant_innen haben kaum Möglichkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und sind der Willkür von Miethaien ausgesetzt. So kann und darf es nicht weitergehen!

Kommt am 18. März, 7 Uhr nach Köln in die Fontanestr. zur Blockade des zweiten Räumungsversuches bei Straßenfest und Frühstücksbuffet!