Heute Di., den 09.04.2013, soll um 9.00 Uhr Rosemarie F. zum dritten Mal aus ihrer Wohnung in der Aroser Alle 92 in Berlin-Reinickendorf geräumt werden. Das Haus ist am Vorder- und Hintereingang mit Hamburger Gittern abgesperrt, ebenso die Bürgersteige der Aroser Alle an den beiden nächsten Querstraßen. Anscheinend bereitet die Polizei eine Sperrung der gesamten 4-spurigen Aroser Allee vor. Die Polizei ist mit ca. 30 Einsatzfahrzeugen und 140 Polizisten vor Ort. An der Absperrung befinden sich bisher ca. 80 Aktivist_innen um gegen die Räumung zu protestieren und die ankommende Gerichtsvollzieherin zu blockieren. Die Polizei ist zurückhaltend und duldet die Kundgebung, zäunt dieser aber ein.
Bereits am Freitag, den 06.04., versuchte die Polizei durch Präsenz mehrerer Einsatzkräfte, davon mindestens einer im Cafe, eine Nachbarschaftsversammlung im Cafe am See in Reinickendorf einzuschüchtern. Was ihr allerdings nicht gelang, eher zog sie sich dadurch den Zorn der mehrheitlich älteren Anwesenden zu.
Angesichts anhaltender Proteste gegen hohe Mieten und Verdrängung, insbesondere der Proteste gegen Zwangsräumungen, scheint die Berliner Politik nur zwei Antworten zu haben: Polizei und noch mehr Polizei. Dies wurde sowohl letzte Woche deutlich, als 100 Polizisten mit über einem dutzend Einsatzfahrzeugen gewaltsam eine Zwangsräumung in Neukölln durchsetzten und dabei auch nicht davor zurückschreckten, eine Rollstuhlfahrerin und die schwerbehinderte 67-jährige Rosemarie F. aus der Blockade zu zerren, als auch bei der Räumung der Familie Gülbol am 14.02.2013. Der damalige Einsatz mit über 800 Polizisten, 60 Zivilpolizisten, 90 Fahrzeugen, 2 Kamerafahrzeugen, 32 Kameras und einem Hubschrauber hatte sogar ein parlamentarisches Nachspiel.
Auf die Mietenfrage als soziale Frage lässt sich aber keine sicherheitspolitische Antwort geben. Zwangsräumung ist nur die gewalttätigste Art der Verdrängung. Verdrängung aber hat viele Gesichter: Modernisierung, hohe Mieten, Mieterhöhung nach Mietspiegel, Jobcenter zahlt die Miete nicht oder Umwandlungen in Eigentumswohnungen.
Zum Hintergrund
Auch bei Rosemarie F. ist für das Auflaufen der Mietschulden das Grundsicherungsamt verantwortlich. Das Amt für Grundsicherung zahlt die Miete. Durch Kontenwechsel oder Eigentümerwechsel kommt es immer wieder dazu, dass Mieten nicht rechtzeitig auf die jeweils neuen Konten eingezahlt werden. Das wird dann gern zum Vorwand für Kündigungen genommen, obwohl gerade das Amt für Grundsicherung ein sicherer Mietzahler sein sollte.
Rosemarie F. hat schriftlich vom Arzt attestiert bekommen, dass ihr die Wohnungsräumung gesundheitlich nicht zuzumuten ist. Doch der Eigentümerin, Birgit Hartig, ist das alles gleich. Auch ihr Mann hat schon gesagt, dass Rosemarie F. seinetwegen in den Dschungel gehen oder sich umbringen könne… Der Stress um die Wohnung setzt Rosemarie zu aber trotz allem ist sie kämpferisch und so war sie auch am 02.04. bei der Blockade gegen die Räumung in der Reuterstraße.
Tatsächlicher Grund der Zwangsräumung, wie so vieler Zwangsräumungen, ist das Bestreben der Wohnungseigentümer_innen, auf Basis des Berliner Immobilienbooms, den Profit mittels Neuvermietungen zu steigern.