PM: Schwerbehinderter 67-Jähriger droht erneut Zwangsräumung

Bündnis Zwangsräumung verhindern // Pressemitteilung – Berlin, den 04.04.2013

Am nächsten Dienstag steht erneut eine Zwangsräumung in Reinickendorf an. Nach wie vor versucht das Bündnis alle Rechtsmittel auszuschöpfen. Wie bereits am 27. Februar versucht die Eigentümerin Frau Birgit Hartig erneut ihre Eigentumswohnung mit Gewalt des Staates als Renditeobjekt weiter zu verwerten.

Da die Zwangsräumung von Rosemarie F. auch in Reinickendorf kein Einzelfall ist, lädt das Bündnis zusammen mit Betroffenen zu einer Nachbarschaftsversammlung am Freitag, den 5.4.2013 um 19.00 Uhr in das Café am See in der Residenzstr. 43 in Reinickendorf ein.

Mehr zum Hintergrund:

Frau Hartig hat die Wohnung, in der Rosemarie F. lebt, bereits als „gekündigte“ Wohnung gekauft. Diese Eigentumswohnung ist eine von mehreren Wohnungen, die Frau Hartig besitzt. Hier geht es nicht um den eigenen Anspruch an das persönliche Wohnen, sondern um ein alltägliches Geschäft in einer Gesellschaft, die jede Zukunftssorge privatisiert und eine Berliner Politik, die Wohnungen als Investitionsgeschäft fördert.

Frau Birgit Hartig war darum sehr verwundert, als sich vor der Räumung der Mieterin eine breite UnterstützerInnengruppe für die Interessen von Rosemarie F. einsetzte. Die UnterstützerInnen besuchten damals den zuständigen Sozialstadtrat Höhne von der SPD, um die Übernahme der Mietschulden zu erwirken. Auch hier gibt es einen typischen Fall der Verursachung von Mietschulden. Das Amt für Grundsicherung zahlt die Miete, aber Kontenwechsel bei Eigentümerwechsel sorgen immer wieder dafür, dass Mieten nicht rechtzeitig auf das neue Konto kommen. Das wird dann gern zum Vorwand für Kündigungen genommen, obwohl gerade das Amt für Grundsicherung eine sicherer Mietzahler ist.

Noch ganz vor dem Hintergrund der Räumung der Familie Gülbol in Kreuzberg, war die SPD bereit hier sofort einen Persilschein für die Mietzahlung auszustellen. Es ist aber auch die rechtliche Verantwortung des Bezirkes, Obdachlosigkeit abzuwenden. Bei jeder Zwangsräumung erhält der Bezirk die Nachricht der Gerichtsvollzieherin ob der drohenden Obdachlosigkeit des Mieters wegen der Zwangsräumung. Weder der Bezirk noch der Senat hat Möglichkeiten diese Obdachlosigkeit abzuwenden. Aber auch Ausweichwohnungen für die Sätze des Grundsicherungsamtes sind weder ausreichend vorhanden, noch vom Bezirk irgendwie zu beschaffen. Die jahrelange Politik der Privatisierung hat heute zur Folge, dass weder Sozialwohnungen noch Belegungsrechte genutzt werden können, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Berlin hat aktuell ca. 11 Tausend Obdachlose. Die Finanzierung der sogenannten Läusepensionen ist um ein Vielfaches höher, als die Mietzahlungen in laufenden Mietverhältnissen. Darum war die Zusicherung der Übernahme der Mietschulden und der zukünftigen Sicherheit für die Mietzahlung der Wohnung von Frau Rosemarie F. auch der einzige Beitrag des Bezirkes, um das Recht auf Wohnen für Rosemarie F. zu sichern. Allein die Eigentümerin Frau Hartig sah keinen Grund, von einer Zwangsräumung zurück zu treten.

Die UnterstützerInnengruppe für Rosemarie F. hat vor der ersten Räumung nichts unversucht gelassen, um den Fall zu schlichten. Leider ohne Erfolg.

Immer mehr Menschen solidarisieren sich in dieser Stadt mit von Zwangsräumung bedrohten, da der Widerspruch zwischen einem verfassungsmäßig zugesicherten Menschenrecht auf Wohnen und der Spekulation mit Immobilien und Eigentumswohnungen immer eklatanter und böser wird. Darum wächst das Bündnis gegen Zwangsräumung von Woche zu Woche. Auch Rosemarie F. war gerührt über die Anteilnahme an ihrem Schicksal und engagiert sich seitdem im Bündnis nicht nur für ihre eigenen Interessen. So hat sie bei der Blockade gegen die Zwangsräumung in der Reuterstr. 2 in dieser Woche mit in der Blockade gesessen, gleich hinter Nuriye Cengiz, die Mieterin vom Maybachufer, mit der die Solidarität gegen Zwangsräumungen überhaupt begann.

Rosemarie F. hat schriftlich vom Arzt attestiert bekommen, dass sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist umzuziehen.

Frau Rosemarie F. hat bereits zwei Gesellschaftssysteme erlebt. Aus der Zeit der DDR hat sie sich mit ihrem Gerechtigkeitsgefühl für Veränderungen eingesetzt. Dafür musste sie persönlich viele Demütigungen ertragen, von denen sie noch heute körperliche Gebrechen mit sich herum trägt. Eine kleine Rente billigt ihr der jetzige deutsche Staat dafür zu. Aber auch heute ist ihre Würde permanent angetastet. Nur weil sie staatliche Hilfsangebote nicht als Brotkrumen entgegen nehmen möchte, sondern ihr Menschenrecht auf Wohnen verteidigt, wird sie gern als „komplizierte“ Nachbarin dargestellt. Das Bündnis gegen Zwangsräumung verwehrt sich an dieser Stelle ausdrücklich gegen jede Diffamierungskampagne gegen die Mieterin. Das Bündnis gegen Zwangsräumungen setzt sich für sie ein, weil das Recht auf die Wohnung, in der man lebt, dem Verwertungsdruck der eigenen Wohnung als Ware im Spekulations- und Immobilienmarkt diametral entgegensteht.

Bei der ersten Räumung war es aufgrund des öffentlichen Drucks gelungen, die Zwangsräumung tatsächlich in letzter Minute zu stoppen. Aus dem Gericht heraus wurde die Gerichtsvollzieherin angerufen. Dazu trug sicher auch die Öffentlichkeitsarbeit des Bündnisses bei.

Nun, am 9.4. kommt es trotz aller Interventionen auf der Ebene der Zivilgesellschaft erneut zu einer Räumung. Das Bündnis sieht keinen anderen Weg mehr, als den Diskurs der Zivilgesellschaft durch eine Aktion des zivilen Ungehorsams zu bereichern.

Wir rufen alle UnterstützerInnen und NachbarInnen dazu auf, mit kreativen Methoden des Widerstandes sich der Staatsmacht in den Weg zu stellen und zu setzen.

Da die Zwangsräumung von Rosemarie F. auch in Reinickendorf kein Einzelfall ist, lädt das Bündnis zusammen mit Betroffenen zu einer Nachbarschaftsversammlung am Freitag, den 5.4.2013 in das Café am See in der Residenzstr. 43 in Reinickendorf ein.

Für ein Menschenrecht auf Wohnen auch für deine Nachbarin und für Rosemarie F.

– – – – – – – – – –

zwangsraeumungverhindern@riseup.net
http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de
Facebook:
http://www.facebook.com/pages/Zwangsr%C3%A4umung-Verhindern/540700815957856
Twitter: http://twitter.com/WirKommenAlle