Reicher Mann und armer Mann
standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
„Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“.
Bertolt Brecht – „Alfabet“ (1934)
Aber es ist nicht nur so, dass die einen nur reich sein können weil die anderen arm sind. Mit den Armen lassen sich auch noch hervorragende Geschäfte machen. So zum Beispiel in der Berlichingenstraße 12, einem heruntergekommenem Haus in einer Randlage in Berlin-Moabit. Der Eigentümer Berolina Grundbesitz GmbH aus der Kantstraße 30 vermietete das Haus an die Firma Gästehaus Moabit als Heim für wohnungslose Männer, zugewiesen wurden diese vom Bezirk Mitte. Für die 33 Zimmer zahlte der Bezirk 22 Euro pro Nacht, im Monat also rund 22.000 Euro. Für Wohnungslose gibt es wesentlich schlechtere Optionen als die Berlichingenstraße 12. Andere Wohnugslose müssen in Mehrbettzimmern oder auf der Straße leben. In einer halbwegs vernünftig organisierten Gesellschaft gäbe es aber auch wesentlich bessere Optionen als 22.000 Euro im Monat den Profiteuren der Armut in den Rachen zu werfen – zum Beispiel das Haus zu kaufen. Aber die Politik will es den Wohnungslosen nicht zu leicht machen und wer Häuser für sie kauft, der enteignet auch irgendwann welche. Und wenn es keine Armen mehr gibt, wo sollen dann die Reichen herkommen?
Schlimmer geht immer
Einige der Wohnungslosen lebten bereits jahrelang in der Berlichingenstraße 12. Denn selbst als der Wohnungsmarkt in Berlin noch nicht so komplett dicht war wie jetzt, war es nicht für alle möglich eine Wohnung zu finden. Und die Berlichingenstraße 12 bot zumindest ein Zimmer und eine Meldeadresse. Die Vorraussetzung für so selbstverständliche Dinge wie ein Konto, einen Job, den Umgang mit den eigenen Kindern. Aber in der kapitalistischen Stadt gibt es keinen Stillstand. Und so bot sich der Armutsindustrie mit der Ankunft der Geflüchteten 2015 und der damit verbundenen weiteren Verschärfung auf dem Wohnungsmarkt, die Möglichkeit noch mehr aus dem Haus rauszuschlagen. Die Wohnungslosen sollten zum 31.1.2016 raus und Geflüchtete in Mehrbettzimmern rein.
Wenn die Armen keine Lämmer sind
Aber einige der Wohnungslosen wollten nicht einfach kampflos aufgeben und sie wollten sich auch nicht gegen andere Arme, die Geflüchteten, ausspielen lassen. Dabei wurden sie vom „Bündnis Zwangsräumung verhindern“, mietenpolitischen Gruppen, der „Refo Moabit – Kirche im Kiez“ und Bezirkspolitiker*innen unterstützt. Es folgten viele gemeinsame Aktionen wie ein Besuch der BVV Mitte und der Eigentümerfirma Berolina, die sofort die Polizei holte. Es wurden Kundgebungen und unzählige Treffen abgehalten und das Podium einer Veranstaltung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes wurde geentert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sagte danach ebenfalls seine Unterstützung zu und der damalige Sozialsenator Czaja sagte zu, keine geräumten Wohnungslosenplätze mit Geflüchteten zu füllen.
Das Recht ist das Recht der Reichen
Aber das alles half nichts – der Eigentümer verweigerte jegliche Kommunikation und liess einfach seine Anwälte arbeiten. Nebenbei stellte er noch Strom, Wasser und Heizung ab und schikanierte die Bewohner mit Hilfe einer Security-Firma. Den früheren Betreiber verklagte er und letztendlich wurde dieser dazu verurteilt, das Haus besenrein zu übergeben. Den neuen Betreiber liess er nicht aus dem Vertrag, obwohl er das wollte. So verbündete der sich, anlässlich eines Go-Ins, mit dem darob verblüfften Bündnis Zwangsräumung verhindern – was die Polizei nicht daran hinderte ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch einzuleiten. Die Bewohner schliesslich wurden einzeln auf Räumung verklagt, dem wurde auch statt gegeben und am 6.9.2017 wurde die Berlichingenstraße 12 geräumt. Die meisten Bewohner waren schon ausgezogen, wer dort nicht gemeldet war wurde von Polizei und Security aus dem Haus geworfen. Einigen Bewohnern wurden noch lächerliche 200 Euro als Auszugsprämie geboten. Einige nahmen diese an, die restlichen 5 Bewohner im Haus waren nach anderthalb zermürbenden Jahren zerstritten, Kraft zum Widerstand war nicht mehr vorhanden.
Was bleibt?
Ansatzweise organisierten sich die Bewohner. Aber dies war nicht von Dauer, dafür war der Druck der Eigentümer zu groß und die Aussicht auf Erfolg zu gering. Gegen Eigentümer, die knallhart bleiben, denen Öffentlichkeit egal ist und die jede Kommunikation verweigern, ist eben schwer anzukommen. Denn die wissen genau, dass in den kapitalistischen Verhältnissen, in denen wir leben, das Recht auf Wohnen von 33 Menschen nichts zählt, ihr Recht auf Eigentum aber alles. Und mit diesem Eigentum und der Armut, die diese Verhältnisse ebenfalls hervorbringen, lässt sich ein prima Geschäft machen. Dieses Geschäft wird von der Politik unterstützt, von der Justiz abgesegnet und von der Polizei durchgesetzt. Die Bewohner aber liessen sich nicht gegen Geflüchtete ausspielen und anderthalb Jahre konnten sie mit Hilfe der Unterstützer*innen den Eigentümern ihr Eigentum streitig machen. Mehr war nicht drin – dazu müssen wir die Verhältnisse schon grundlegend ändern!