Nach dem verlorenen Kündigungsverfahren vor Gericht, hat der Hauseigentümer Thorsten Cussler am Montag, 13.Mai 2019, Kamil-Mode am Kottbusser Damm 9 geschlossen. Cussler will lieber „etwas Schönes“ in seinen Geschäftsräumen, denn mit dem „richtigen“ Geschäft kann er den Wert seines Hauses und die monatlichen Geschäftsmieten erhöhen.
Auch wenn das Geschäft vorläufig verloren ist, hat Familie Qadri einige sich selbst gesteckte Ziele erreicht: sich gegen Verdängung zu wehren, damit die Ungerechtigkeit der grundlosen Kündigung und die mietrechtliche Schutzlosigkeit von Kleingewerbe öffentlich zu skandalisieren. Zum Schluss hat sich Cussler auch noch zu einem kleinen Kuhhandel herbeigelassen, weshalb auf weiteren Widerstand bei der Schlüsselübergabe verzichtet wurde. Cusslers Anwalt stellte in Aussicht, dass, wenn bei der Schlüsselübergabe kein weiterer Protest erfolge, er der Familie Qadri einen Teil der Schulden erlassen wolle. Allerdings hat er diese Absprache bei der Schlüsselübergabe zurückgenommen.
3000 Leute haben mit ihrer Unterschrift gegen die Schließung von Kamil-Mode gestimmt, zwei Nachbarschafts-Initiativen haben sich gegründet, es gab Protest-Aktionen, Versammlungen (z.B. Nachbarschafshaus Urbanstraße, SO36) auf Demonstrationen wurde sich mit dem Geschäft solidarisiert (Mietenwahnsinn-Demo, Interkiezionale), viele Leute haben sich kennen gelernt und ausgetauscht.
Kamil-Mode steht mit seinem Existenzkampf in einer Reihe mit vielen anderen kleinen Geschäften der umliegenden Kieze, die durch das Gewinnstreben der Hauseigentümer*Innen in Existenznot geraten sind: Bizim Bakkal, M99/Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf, Bantelmann Betriebe Berlin, Späti Ora 35, Binnaz Änderungsschneiderei, Bäckerei Filou, um nur einige zu nennen, die mit ihrem Protest öffentlich bekannt wurden oder sich auch erfolgreich zur Wehr setzten.
Während die Profiteure am Wohnungsmarkt immer neue Schlupflöcher finden und immer größere Gewinne einstreichen, gibt es für Inhaber*innen geführten Einzelhandel keinerlei Art von Mietschutz. Diese Geschäfte stehen in der Vermarktungs-Kette ganz hinten, Spielen einzeln weder für die Warenproduzenten, noch für die gesamtstädtische Ökonomie (Politik) eine Rolle und haben keine Lobby.
Verdrängen Hauseigentümer solche Geschäfte, rutschen die Geschäftsinhaber*innen leicht in Hartz 4. Soziale Netzwerke zwischen Kund*innen und Geschäftsinhaber*innen werden zerstört. Die Nachbarschaft verliert eine nah gelegene und günstige Versorgung. Die andauernde Verdrängung von Geschäften am Kottbusser Damm schädigt auch die verbleibenden Geschäfte, sie verlieren einen Teil ihrer Laufkundschaft, die vorher z.B. zu Kamil-Mode gegangen ist und hinterher zur (verdrängten) Änderungsschneiderei nebenan.
Wir werden uns auch zukünftig gemeinsam mit der Gewerbetreibenden-Initiative Ora-Nostra und allen anderen gegen die Verdrängung in unseren Kiezen und die kapitalistisch organisierte Stadt wehren.