PM des Bündnis Zwangsräumung verhindern zur ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule
29.6.2014, 15 Uhr
„Ihr habt keine Macht in euren Händen außer euren Waffen!“ Tag 6 der polizeilichen Belagerung – 5000 auf Solidaritätsdemonstration in Berlin – weitere Demos in Hamburg, Leipizig, Köln und Mainz
Der Kampf der Refugees, die die ehemalige Schule besetzt halten, hat bereits einen „moralischen Sieg“ eingefahren angesichts der Breite der Unterstützung, die die Refugees aktuell erhalten. Die Demonstration am Samstag war mit etwa 5000 Teilnehmer_innen unerwartet groß.
Am Samstag abend hat die Alevitische Gemeinde eine Dusche gespendet und sich mit den Forderungen der Geflüchteten solidarisiert. Auf der Demo sprach der Intendant des Grips-Theaters. Die Unterstützung im Reichenberger Kiez und darüber hinaus wächst.
Die drei Geflüchteten aus dem Sudan haben ihre Situation am Freitag bei der Pressekonferenz erläutert: Obwohl im Sudan Krieg herrscht, wurden ihre Asylanträge abgelehnt. Sie verwiesen auch auf die Rolle der deutschen Regierung bei der Spaltung ihres Landes und sie erwähnten, dass es
kürzlich in Berlin ein Treffen gab zwischen deutschen Regierungsvertretern und Vertretern des Südsudan.
Am 13. Januar 2014 berichtet die Website German Foreign Policy unter http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58772:
„Mit den blutigen Kämpfen im Südsudan mündet ein von Berlin unterstütztes staatliches Sezessionsprojekt in die Katastrophe. Jüngsten Schätzungen zufolge sind bei den bewaffneten Auseinandersetzungen dort seit Mitte Dezember rund 10.000 Menschen zu Tode gekommen. Die Bundesrepublik hatte die Abspaltung des Südsudan energisch gefördert“
Die deutsche Bundesregierung ist mit Soldaten im Südsudan präsent und unterstützt die christliche Guerilla SPLM und die Teilung des Landes. Die Evangelische Kirche in Deutschland missioniert dort, der EKD-Vorsitzende Huber fordert „eine neue stärkere Rolle in Afrika“ für Deutschland und die EU. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung begann im November 2013 mit Zahlungen für den Südsudan. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Schöckenhoff handelt dort Infrastrukturprojekte mit Vertretern der SPLM aus, die deutschen Firmen zugute kommen: das Unternehmen Thormählen Schweißtechnik koordiniert dort den Bau der Eisenbahn. Die Kämpfe seit Dezember 2013 haben laut der UNO 1 Million Menschen zur Flucht veranlasst. (weitere Informationen auf: www.german-foreign-policy.com)
Das ist nur EIN Beispiel für den Zusammenhang von Flucht und der hiesigen Politik und Ökonomie – diesen Zusammenhang hatten die Geflüchteten auf der Pressekonferenz ausführlich angesprochen, aber keine einzige Zeitung hat darüber berichtet. Im Angesicht dessen davon zu sprechen, die Geflüchteten würden den deutschen Staat erpressen, ist einfach nur zynisch. Sie wissen aus eigener Erfahrung, dass sie ihre Rechte nur erkämpfen können und sie wollen nicht zurück in ein Kriegsgebiet, in dem der deutsche Staat deutschen Konzernen Aufträge sichert.
Christian Ströbele hat am Samstag abend gegen 18.30 Uhr vom Dach der besetzten Schule gesprochen, er wurde als Vermittler von den Besetzer_innen angerufen und hat eine Diskussionsgrundlage mit ihnen erarbeitet, über die die Besetzer_innen bis Montag entscheiden wollen. Er überbrachte die Nachricht, dass der Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain die Forderung nach einem Verlassen des Gebäudes zurückgenommen hat – mit Unterstützung aller Fraktionen außer der CDU, die beim Treffen der BVV am Samstag nicht anwesend war. Weiterhin besteht die Diskussionsgrundlage aus folgenden Punkten: 1. Rückzug der Polizei aus den Straßen, die Polizei regelt nur noch den Eingang zur Schule 2. Alle im Gebäude sich befindenden Geflüchteten können auch während des Umbaus zum Flüchtlingszentrum dort wohnen bleiben 3. Die BVV unterstützt das Bleiberecht nach § 23 und fordert Landes- und Bundesregierung dazu auf, es für die Geflücheten aus der Schule anzuwenden.
Dass der Bezirk sich soweit bewegt hat, ist bereits ein erster Erfolg des Durchhaltevermögens der Besetzer_innen in der Schule. Bisher gibt es aber keine offizielle Bestätigung über dieses Angebot des Bezirks.
Unklar ist, ob und wann der Senat oder die Polizei dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg den Polizeiensatz aus der Hand nehmen wird. Angesichts der Koalitionskrise im Berliner Senat muss Henkel keine große Rücksichten auf die SPD nehmen, am Freitag hat er einen Abgesang auf die Berliner SPD angestimmt. Andererseits wird es schwierig für Henkel, einen blutigen Polizeieinsatz zu vertreten – daher befindet sich auch Henkel in einem selbst eingebrockten Dilemma.
Aus verschiedenen Interviews mit Geflüchteten war zu erfahren, dass viele die Schule verlassen haben, weil sie Angst vor der Polizei hatten. Andere haben sich zufrieden geäußert über die neuen Unterkünfte. Wie freiwillig der Umzug war, wird bei dem Polizeiaufgebot nie genau zu klären sein. Klar ist aber, dass dieser Polizeieinsatz die Grünen in Kreuzberg in ihrem weiteren politischen Umfeld diskreditiert haben. Viele Gruppen wie die Grünen-Jugend, aber auch Umwelt- und Friedensgruppen hatten sich über Twitter dem Aufruf zur gestrigen Demonstration angeschlossen.