Freitag, 27.6.2014, 15.00 Uhr
Vierter Tag der Belagerung des Reichenberger Kiezes durch die Polizei – Solidaritätsaktionen in Wien, Brüssel, Istanbul und fünf deutschen Städten
Mittlerweile ist es der vierte Tag, an dem eine Polizeiarmada den Reichenberger Kiez und auch umliegende Straßen wie den Kottbusser Damm militärisch besetzt hält. Der Polizeieinsatz wird bis jetzt vom Bezirkamt Friedrichshain-Kreuzberg koordiniert – mit der Begründung durch Monika Herrmann, dass die „Linie Henkel mit Räumung“ nicht besser wäre. Als sich Henkel aber angesichts des politischen Drucks durch die Refugees am dritten Tag in die Verhandlungen einschaltet, wird deutlich, dass er gar keine andere Linie als das Kreuzberger Bezirksamt verfolgt: er bietet ebenso das Kolat-Paket an, von dem auch der Tagesspiegel vermeldet, dass es vom Senat nicht eingehalten wird: 10 Refugees, denen vom Senat für 6 Monate Prüfung ihres Antrags versprochen wurde, stehen nun nach 2 Monaten bereits vor ihrer Abschiebung.
Das macht deutlich, dass das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, konkreter: Bürgermeistern Monika Herrmann und Baustadtrat Hans Panhoff (beide von den Grünen) die Drecksarbeit für den Senat machen. Sie haben seit Wochen betont, dass nicht der Bezirk, sondern der Senat räumen will. Warum führen die Kreuzberger Grünen dann die Räumung durch?
Das heisst konkret: Die Kreuzberger Grünen haben die Polizei für bisher vier Tage zur Aufstandsbekämpfung im Kiez abgestellt. Die Kreuzberger Grünen verhindern, dass die Besetzer mit der Presse sprechen können und lassen dagegen protestierende Journalist_innen wegtragen. Die Kreuzberger Grünen versuchen, ihre Verhandlungspartner während laufender Verhandlungen auszuhungern und lassen solange kein Essen in die Schule, bis auf Druck eines örtlichen Pfarrers Essen durchgelassen wird.
Insgesamt ist es bezeichnend, dass die Führung des Kreuzberger Bezirksamts darum bemüht ist, die gemeinsame Stossrichtung mit dem Innensenator Henkel zu betonen. Im Eingungspapier zwischen Bezirksamt und Senat, dass den Refugees am Donnerstag übergeben wurde, wird keine Anerkennung nach § 23 AufenthG von den Grünen eingebracht, sondern eine Verhandlung unter der Bedingung, dass die Schule verlassen wird. Dass die Refugees ihr einziges Druckmittel aufgeben sollen, ist natürlich eine Falle. Von öffentlichem politischen Druck, den die Kreuzberger oder Berliner Grünen gegen den Senat ausüben, ist wenig bis kaum zu hören.
Dass die Aktionen der Polizei auf höchster Ebene koordiniert werden, wird dadurch deutlich, dass am Donnerstag das Busunternehmen, dass die in Brüssel vor der EU-Kommission protestierenden Geflüchteten nach Berlin zurückbringen sollte, von der Polizei dazu gezwungen wurde, den Transport nicht anzutreten.
Politischer Druck wird bisher einzig von den Refugees mit ihrer Drohung, sich selbst zu töten und die Schule anzuzünden, und den solidarischen Demonstrationen und Aktionen in Wien, Istanbul, Brüssel, Hamburg, Marburg, Hannover, Dresden und Köln ausgeübt. Dass die Flüchtlingspolitik in Deutschland über Leichen geht, ist nicht neu. Nun ertrinken die Geflüchteten aber nicht still und heimlich in der Oder, wie es schon mehreren Hunderten passiert ist, sondern der Kampf hat sich in die deutschen Innenstädte verlagert: Und das ist gut so, da nun die politische Öffentlichkeit dies nicht mehr in einer Randnotiz abhandeln kann.
Warum die Geflüchteten in der Schule bleiben und nicht wieder zurück in Lager wollen, ist offensichtlich: Die Roma aus der Schule, die nach Hohengatow in Spandau gebracht wurden, sind dort völlig isoliert und dürfen wegen der autoritären Heimleitung nicht einmal Besuch empfangen. Sie fahren nun jeden Tag 34 BVG-Stationen bis nach Kreuzberg, da dort ihre Kinder in die Schule gehen. Auch aus dem Heim in Charlottenburg sind Refugees aus der Schule wegen Kontrollen ihrer Schränke durch die Heimleitung nach zwei Tagen protestierend wieder ausgezogen.